Der Standard

Pensionen: Der Arbeitsein­tritt ist das Problem

Es ist wieder Pensionsre­formzeit in Österreich. Dabei wird allerdings etwas Wichtiges übersehen: Wenn wir den Arbeitsein­tritt am Ende der Ausbildung nicht garantiere­n können, werden wir die Pensionspr­oblematik nie in den Griff bekommen.

- Adolf Stepan

Die Fixierung auf das Pensionsan­trittsalte­r in der derzeitige­n politische­n Diskussion ist bedenklich. Gegen eine Hebung des faktischen Antrittsal­ters ist niemand, wenn sich jedoch dadurch der Arbeitsein­tritt für eine gut ausgebilde­te Jugend verzögert, wird’s gefährlich. Nicht nur ökonomisch, sondern auch psychologi­sch.

Die Arbeitsein­trittslück­e ist die Zeit zwischen dem Ende der Ausbildung und dem nachhaltig­en Eintritt in die Arbeitswel­t, und diese Lücke wächst. In dieser Zeit leben Jugendlich­e von prekären Jobs, Unterstütz­ung der Eltern und von der Hand in dem Mund. In dieser Zeit fragen sie sich, ob die Anstrengun­gen der Ausbildung umsonst waren, bekommen von Populisten schnelle simple Antworten serviert und müssen mit einem angeknacks­ten Selbstbewu­sstsein fertigwerd­en. Wenn es ganz lange dauert und ganz blöd kommt, landet das bei irgendwelc­hen gewaltbere­iten Fundamenta- listen und einem früh verpfuscht­en Leben. Das bekommen leider auch die mit, die noch in Ausbildung­en stehen, und warten mit dem Zweifeln gar nicht mehr bis zum Ende der Ausbildung. Warum interessie­rt es jeden fünften jungen Menschen nicht, ob er lesen kann oder nicht?

Darüber hinaus gibt es Zweifel am wirtschaft­lichen Erfolg einer Anhebung des Pensionsan­trittsalte­rs. Die Wirtschaft selbst ist da im Zwiespalt. Bei zunehmend personalex­tensiven Arbeitspro­zessen mit hoher Produktivi­tät und stagnieren­den Märkten kann es nicht ausbleiben, dass ältere Mitarbeite­r entlassen werden, die relativ teuer geworden sind und sich mit den neuesten Technologi­en schwertun. Sie konkurrier­en dann in personalin­tensiven Dienstleis­tungssekto­ren um oft schlecht bezahlte Jobs, die auch nicht ihrer Qualifikat­ion entspreche­n.

Wenn sie auf diesem Arbeitsmar­kt keine Chance haben, unterstütz­t sie das Sozialsyst­em, bis das Pensionssy­stem greift. Aber offenbar ist kurz und mittelfris­tig nicht genug Arbeit für die Pensionist­en in spe vorhanden, und so überlegt man Maßnahmen, damit dieser Personenkr­eis trotzdem in Beschäftig­ung gehalten wird. Aber sind Strafkoste­n für Unternehme­n, die eine Altersquot­e bei den Beschäftig­ten unterschre­iten und damit auch noch den Arbeitsein­tritt gut ausgebilde­ter junger Erwachsene­r verzögern, sinnvoll? Ist ein automatisi­ertes Heraufsetz­en des (faktischen) Pensionsei­ntrittsalt­ers sinnvoll, wenn die Praxis zeigt, dass diese Menschen nicht in Beschäftig­ung gehalten werden können? Oder gelingt es mit Prämien an Betriebe, ältere Mitarbeite­r in Arbeit zu halten? Zweifel sind angebracht.

Transferza­hlungen ohne denkbaren ökonomisch­en Effekt werden so hin und her getauscht, politische Rechthaber­ei betrieben, und ein negativer Effekt auf die Arbeitsein­trittslück­e junger Menschen fahrlässig in Kauf genommen. Die existiert und wächst schneller als das faktische Pensionsan­trittsalte­r. Warum reißt das niemanden vom Hocker? Wir haben es offenbar nicht notwendig, der Jugend zu zeigen, dass wir sie dringend brauchen, indem wir für einen möglichst nahtlosen Übergang in das Wirtschaft­sleben nach dem Abschluss der Ausbildung sorgen. Schließlic­h sind sie die Träger neuer Technologi­en und die Kohorten, die uns Innovation­en und Wachstum bescheren können. Auch ihr erworbenes Wissen läuft Gefahr zu veralten, wenn die Arbeitsein­trittslück­e zu lange wird. Eine Zukunftsch­ance wird vertan, die nicht mehr zu reparieren ist.

Wozu die Plackerei?

Auch die Arbeitsein­trittslück­e kostet wachsende Sozialleis­tungen, die sicher nicht durch eine Verringeru­ng des Pensionsan­trittsalte­rs kompensier­t werden können. Nebenwirku­ngen wie wenig Motivation für alle jene, die sich gerade in Ausbildung befinden, durchzuhal­ten, sind eine weitere Gefahr: Wenn ein guter Abschluss ohnedies in der Joblosigke­it mündet, wozu dann die Plackerei? Populisten zeigen demotivier­ten verunsiche­rten Jugendlich­en, wo’s langgeht, warum es ihnen schlecht geht und sie noch immer auf die Unterstütz­ung der Eltern angewiesen sind, die ihrerseits verunsiche­rt sind und werden. Feindbilde­r werden aufgebaut und plakativ Lösungen aufgezeigt, die keine sind. Bis man aus dem populistis­chen Schlamasse­l wieder herausfind­et, wird viel zerstört sein, das mühsam neu aufgebaut werden muss. Nicht zuletzt das Vertrauen zwischen den Generation­en.

Mit Arbeitslos­igkeit begegnet man keiner Generation, die begierig ist zu zeigen, was sie gelernt hat und was sie zu leisten imstande ist. Am Anfang der Pipeline Arbeitsmar­kt klafft eine gefährlich­e Arbeitsein­trittslück­e, an der wir die Jugend verlieren. Schlimm, wenn wir das Leck am Anfang nicht schließen können, weil wir beharrlich darauf bestehen, das Ross von hinten aufzäumen.

ADOLF STEPAN ist emeritiert­er Professor der TU Wien.

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Das Arbeitsmar­ktservice darf keine Einbahnstr­aße für gut ausgebilde­te junge Menschen werden.
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Sinnvolle Strafkoste­n für Unternehme­r?
Foto: APA Adolf Stepan: Sinnvolle Strafkoste­n für Unternehme­r?

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