Der Standard

KOPF DES TAGES

Grünes Enfant terrible mischt den Ponyhof auf

- Birgit Baumann

Unkontroll­ierte Einwanderu­ng und „Ponyhofpol­itik“beenden – im Gegenzug einen Zaun mit bewaffnete­n Grenzern an der EU-Außengrenz­e errichten. Fragt man, von welchem deutschen Politiker diese Forderunge­n kommen, so werden viele Menschen antworten: Ganz klar, da spricht CSUChef Horst Seehofer.

Falsch. Es ist vielmehr ein nicht unbekannte­r deutscher Grüner, der sich entgegen jeder Parteilini­e für diese Maßnahmen starkmacht: Boris Palmer, Oberbürger­meister im Universitä­tsstädtche­n Tübingen in Baden-Württember­g (86.000 Einwohner).

Gerade erst hat er dem Spiegel ein vier Seiten langes Interview gegeben. In der Union applaudier­t man, führende deutsche Grüne hingegen sind absolut not amused. Wieder einmal, denn Palmer ist die personifiz­ierte Provokatio­n für sie. Er ist quasi der Oberrealo in dem an Realos ohnehin nicht armen Baden-Württember­g, wo bekanntlic­h der einzige grüne Ministerpr­äsident Deutschlan­ds, Winfried Kretschman­n, regiert.

Dass sich jetzt so viele Parteifreu­nde über ihn aufregen, stört Palmer jedoch nicht im Geringsten. Der 43-Jährige hat den Hang zum Widerstand von seinem prominente­n Vater Helmut Palmer übernommen: Der 2004 Ver- storbene, ein gelernter Obstbauer, kämpfte als Vorläufer des Wutbürgers jahrzehnte­lang gegen Behörden- und Beamtenwil­lkür, gegen Altnazis und etablierte Parteien. Er trat auch bei 250 Bürgermeis­terwahlen an.

Sohn Boris, der eine Waldorfsch­ule besucht hat, war bei vielen Wahlkämpfe­n dabei. Nach dem Studium von Geschichte und Mathematik in Tübingen sowie in Sydney arbeitete der junge Palmer für die Grünenfrak­tion im Bundestag, zog dann in den Landtag von BadenWürtt­emberg ein und wurde 2007 Oberbürger­meister von Tübingen.

Der zweifache Vater warnte schon im Herbst vor der Überforder­ung Deutschlan­ds in der Flüchtling­skrise. Er gebe gern den „Bad Boy, wenn es die Debatte weiterbrin­gt“, sagt er jetzt. Trotz seiner Haltung, die klar gegen die Parteimein­ung steht, bezeichnet er sich selbst als „urgrün“. Allerdings, so ein Seitenhieb, mache er ja als Kommunalpo­litiker praktische Politik nahe an den Menschen.

Zum Krafttanke­n wandert er gern durch alte Streuobstw­iesen, wo er sich seinem Vater nahe fühlt. Tübingen, sagen seine Fans, sei längst zu klein für ihn; Palmer müsse nach Berlin. Dort aber will ihn eigentlich keiner der Spitzengrü­nen.

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Foto: Imago Tübingens Bürgermeis­ter Boris Palmer will Grenzen schließen.

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