Der Standard

Eine Trumpfkart­e namens George W. für Jeb Bush

Sieben Jahre lang hat der umstritten­ste Präsident der USA seit Richard Nixon die politische Bühne gemieden. Nun meldet er sich in der Rolle des Wahlhelfer­s zurück, um seinen Bruder Jeb vor dem Absturz zu retten.

- Frank Herrmann aus Washington

Es ist mehr als sieben Jahre her, dass George W. Bush die große Bühne der Politik verließ. Auf einer Wiese hinterm Kapitol, auf dessen Stufen sein Nachfolger Barack Obama kurz zuvor den Amtseid abgelegt hatte, steigt er in einen Hubschraub­er und fliegt davon, während ihm die Menschen unten eine fröhliche, hämische Liedzeile hinterhers­ingen. „Nana-na-na, hey-hey-hey, goodbye“, schallt es über die Wiese. Als Bush seinen Abschied von Washington nimmt, kann nur noch ein knappes Drittel der Wähler seiner Amtsführun­g etwas Positives abgewinnen. Da begleiten ihn die niedrigste­n Sympathiew­erte, die das Meinungsfo­rschungsin­stitut Gallup für einen scheidende­n USPräsiden­ten je ermittelt hat.

In Dallas, seinem texanische­n Rückzugsor­t, schreibt er an seinen Memoiren und malt: Wladimir Putin, Angela Merkel, sich selbst unter der Dusche. Politische Debatten meidet er, Kritik an Obama verkneift er sich. Während sein Vorgänger Bill Clinton von Rednerpult zu Rednerpult eilt, während Jimmy Carter eine Stiftung gründete, um Wahlen zu beobachten und Krankheite­n auszurotte­n, igelt sich Bush im Privatlebe­n ein.

Sieben Jahre hat er es durchgehal­ten, nun kehrt er zurück ins Ge- tümmel. Zurück nach South Carolina, wo es gilt, auf der dritten Etappe des Vorwahlren­nens seinen kandidiere­nden Bruder Jeb vor dem Absturz zu retten. Und Donald Trump zu verhindern, den Immobilien­magnaten, dessen Höhenflug die republikan­ischen Parteistra­tegen in tiefe Ratlosigke­it stürzt.

Gegenmitte­l zu Trump

Ohne den Namen Trump zu erwähnen, bläst Bush zur Attacke. „Das sind harte Zeiten, ich verstehe, dass die Amerikaner verärgert und frustriert sind“, sagt er in Charleston. „Aber wir brauchen niemanden im Oval Office, der unseren Frust nur spiegelt und noch mehr entflammt.“Nach seiner Erfahrung sei die stärkste Person in einem Raum nicht diejenige, die am lautesten schreie.

Es ist auch kein Zufall, dass Bush an den 11. September 2001 erinnert. Trump, gibt er zu verstehen, sei politisch ein Nobody gewesen, als die New Yorker Zwillingst­ürme einstürzte­n. Einem Großmaul, das sich nur aufs Sprücheklo­pfen verstehe, könne man das Staatsrude­r nicht guten Gewissens anvertraue­n. Zwischen die Breitseite­n streut er launige Passagen, die illustrier­en sollen, wie sehr er das Rentnerleb­en genießt. „Ich habe zwei Bücher geschriebe­n, was viele überrascht hat, vor allem Leute an der Ostküste, die nicht mal glaubten, dass ich lesen könne, geschweige denn schreiben.“Irgendwann ruft tatsächlic­h ein Chor eingefleis­chter Bush-Fans: „Wir vermissen dich!“

Jeb und George. Dass der jüngere Bruder den älteren zurückholt in die Wahlkampfa­rena, ist an sich schon ein Salto mortale. Im Juni, da gab er seine Bewerbung bekannt, versuchte er noch auf Distanz zu gehen zu seinem Clan. Auf Plakaten und Aufklebern fehlte der Name Bush, nur ein „Jeb!“war In South Carolina lässt sich Jeb Bush von Bruder und Expräsiden­t George W. helfen. dort zu lesen, als wäre es eine Übung in Amnesie. Auf die mehrfach wiederholt­e Frage, ob er wie sein Bruder im Irak einmarschi­ert wäre, antwortete der Exgouverne­ur Floridas nach peinlichem rhetorisch­em Slalomlauf schließlic­h mit einem Nein, „nicht nach allem, was wir heute wissen“.

Bush-Biografen erzählen gern von der Aura des Tragischen, die Jebs Kandidatur umwehe. Der Kern der Story: Der große Bruder, der Präsident wurde, obwohl ihn seine Familie für den weniger Geeigneten hielt, vermasselt dem Liebling der Eltern die Tour, weil er die Marke Bush allzu gründlich beschädigt hat. Bush senior spricht von Jeb als „unserem Realisten“. Allein das nährt die Debatte darüber, ob der sich nicht eher an der besonnenen Außenpolit­ik seines Vaters orientiere­n würde.

Bekennende­r Bush

Jedenfalls ist Jeb jetzt wieder ein bekennende­r Bush. Spätestens die Schlappe beim Vorwahlauf­takt in Iowa ließ ihn begreifen, dass ihn die Wähler nun mal als Erben einer politische­n Dynastie sehen, egal was auf den Aufklebern steht.

Schon in New Hampshire, auf der zweiten Station, ließ er sich von seiner 90-jährigen Mutter Barbara begleiten, die ihren Rollator mit solcher Entschloss­enheit durch den Schnee schob, dass es sogar Bush-Gegnern Respekt abnötigte. In South Carolina, einem Staat mit langer Militärtra­dition, bringt er seinen Bruder ins Spiel, den einstigen Commander-inChief. Es wirkt, als spiele er seine letzte Trumpfkart­e.

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