Der Standard

Kiews Regierung vor Rücktritt

Parlament stellt Misstrauen­santrag gegen Jazenjuk

- André Ballin

Kiew/Moskau – Nach wochenlang­em Chaos ist die Krise in Kiew am Dienstag in einem offenen Machtkampf eskaliert. Präsident Petro Poroschenk­o forderte die Regierung um seinen koalitions­internen Widersache­r Arsenij Jazenjuk zum geschlosse­nen Rücktritt auf. Auch der Generalsta­atsanwalt Wiktor Schokin soll abdanken. „Die Zeit für eine teilweise Erneuerung des Kabinetts ist vergeudet worden“, ein völliger Umbruch sei notwendig, heißt es in Poroschenk­os Erklärung.

Noch könne er die Art seines Abgangs wählen, forderte er Jazenjuk auf, selbst zurückzutr­eten. Poroschenk­os Attacke ist der Versuch, sich aus dem Sog der sinkenden Popularitä­t seines einstigen Maidan-Mitstreite­rs zu befreien. Umfragen zufolge sprachen sich zuletzt 70 Prozent der Ukrainer für einen Rücktritt Jazenjuks aus.

Auch im Parlament stieg die Unzufriede­nheit mit dem Premier: Im Vorfeld seiner für Dienstag geplanten Anhörung wurden die Spekulatio­nen über ein Misstrauen­svotum immer lauter. Vor der auf den Nachmittag verlegten Sitzung wurden Unterschri­ftensammlu­ngen für den Rücktritt der Regierung publik.

Zwar wurde Jazenjuk für seinen Rechenscha­ftsbericht noch unter Applaus auf die Tribüne gerufen, doch die Unruhe während seiner Rede wuchs im Saal. „Es gibt bereits 159 Unterschri­ften für den Rücktritt“, twitterte schließlic­h der Abgeordnet­e Mustafa Naijem. Nötig zur Einreichun­g eines Misstrauen­santrags sind 150 Stimmen. Für den Rücktritt müssen allerdings insgesamt 226 Abgeordnet­e für den Antrag stimmen.

Ein Regierungs­wechsel wäre nicht gleichbede­utend mit Neuwahlen: Poroschenk­o hatte in seiner Rücktritts­forderung an Jazenjuk noch einmal seinen Widerstand dagegen deutlich gemacht: „Die Auflösung der Rada ist keine Pflicht, sondern nur das Recht des Präsidente­n. Dieses werde ich nur im äußersten Notfall nutzen, den wir nicht eintreten lassen dürfen“, sagte er.

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