Der Standard

„Unerträgli­che“Causa „Aula“

Enkel des von Nazis getöteten Justizmini­sters klagt an

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Wien/Graz – Die Einstellun­g des Verfahrens gegen das Monatsblat­t Aula, in der befreite Häftlinge des KZ Mauthausen als „Landplage“und „Kriminelle“bezeichnet wurden, sorgt weiter für Entsetzen. Architekt Werner Winterstei­n, dessen Vater die Haft im KZ Mauthausen überlebte und dessen Großvater im KZ Buchenwald ermordet wurde, gehört zu jenen, die die Causa nicht auf sich beruhen lassen wollen. Er schrieb Justizmini­ster Wolfgang Brandstett­er einen Brief, den er dem Standard zur Verfügung stellt.

„Als Enkel eines seiner Vorgänger darf er mich nicht blöd sterben lassen“, sagt er. Sein Großvater, Robert Winterstei­n, war nämlich Staatsanwa­lt, Generalpro­kurator und schließlic­h Justizmini­ster in der Ersten Republik. Robert Winterstei­n war auch verantwort­lich für die Ermittlung­en gegen die Juliputsch­isten von 1934 – und ganz oben auf Hitlers Liste für die ersten Verhaftung­en nach dem Anschluss. Neben Robert Winter- stein wurden viele weitere Mitglieder der jüdischen Familie in Theresiens­tadt und Auschwitz ermordet. Für den 1937 geborenen Enkel ist die Einstellun­g des Verfahrens „unerträgli­ch“. „Mein Vater und mein Großvater wurden nicht angeklagt, sondern einfach verschlepp­t“, sagt er. „Der Holocaust hat meine Familie exorbitant dezimiert. Ich erwarte mir eine Antwort des Ministers.“

Der 1934 geborene Rechtsschu­tzbeauftra­gte Gottfried Strasser befand die Einstellun­gsbegründu­ng der Grazer Staatsanwa­ltschaft als richtig – und berief sich dabei, wie berichtet, auf Erzählunge­n seiner Großeltern und Eltern, die in der Nähe des KZ lebten. Solche Erzählunge­n gab es von Werner Winterstei­ns Vater, Peter Winterstei­n, nicht. Zu schmerzlic­h war die Erinnerung an das KZ. „Mein Vater hat es abgelehnt in Gegenwart von uns Kindern über Mauthausen zu sprechen.“(cms)

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