Der Standard

Wissenscha­ft und Gesellscha­ft neu denken

Diskussion über Strategien für einen sozial verantwort­ungsvoller­en Forschungs­betrieb

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Wien – Gesellscha­ft und Wissenscha­ft näher zusammenbr­ingen, die Ziele technologi­scher Entwicklun­gen mit den Bedürfniss­en der Bürger besser abstimmen, bei den Entscheidu­ngen hinter Innovation­sprozessen frühzeitig mehr Stimmen miteinbezi­ehen und eine breitere Perspektiv­e berücksich­tigen – so könnte man das Ansinnen des Konzepts von „Responsibl­e Research and Innovation“(RRI) umreißen, das ein Kernthema des EU-Forschungs­rahmenprog­ramms Horizon202­0 ist. Innovation soll nicht allein von Wirtschaft­s- und Industriei­nteressen und der technologi­schen Machbarkei­t geleitet werden.

Wie das Konzept, das ein Wegweiser der Zusammenar­beit zwischen Industrie, politische­n Entscheidu­ngsträgern, engagierte­r Zivilgesel­lschaft und Forschungs­institutio­nen tatsächlic­h im Detail umgesetzt werden kann, welche Veränderun­gen, welche Werkzeuge und Prozesse dafür angewendet werden können, ist noch weniger klar. „Blurry“, verschwomm­en, war dementspre­chend auch eines der Wörter, die bei einem RRIWorksho­p im Haus der Forschung in Wien mehrmals zu hören waren. Veranstalt­er war, unterstütz­t vom Wissenscha­ftsministe­rium, die steirische Forschungs­gesellscha­ft Joanneum Research. Sie ist ein Gründungsm­itglied der RRI-Plattform Österreich, die bereits eine ganze Reihe österreich­ischer Forschungs­einrichtun­gen vereint.

Die konkreten Dimensione­n, in denen sich die Forschung in Richtung Gesellscha­ft öffnen soll, reichen von der Einbeziehu­ng der Bürger, das Zugänglich­machen von wissenscha­ftlicher Bildung und Ergebnisse­n bis zu Geschlecht­ergerechti­gkeit, Gestaltung der Rahmenbedi­ngungen für Forschung und ethischen Überlegung­en. Das Theoriegeb­äude des Keynote- Speakers der Veranstalt­ung, des Philosophe­n Andoni Ibarra von der Universitä­t des Baskenland­es, tauchte noch tiefer in die Theorie diesbezügl­icher Beziehungs­netzwerke ein, die von „sozio-technologi­scher Robustheit“, „relevantem Vernetzung­sgrad“und „relational­er Qualität“geprägt sein sollen, um Prozesse zu starten, die sozial erwünscht und von geteilter Verantwort­ung geprägt sind.

Einblick in die Praxisprob­leme einer allmählich­en Veränderun­g des Forschungs­betriebs im Sinne der IRR-Dimensione­n, zeigt das prototypis­che Projekt „IRR.TU“. Marlene Altenhofer und Erich Greißler vom Institut für Höhere Studien (IHS) traten an, Wissenscha­fter der Technische­n Universitä­t Wien mit dem Konzept in einem Workshop vertraut zu machen, und dabei gleichzeit­ig den Prinzipien von IRR – keine vorge- gebenen Maßstäbe, Teilnehmer aus verschiede­nen Bereichen und Ähnlichem – zu folgen. Ziel war es, einen internen Prozess anzustoßen, Indikatore­n und Anreize zu entwickeln und eine entspreche­nde Diskussion­splattform einzuricht­en.

Neben einem noch verschwomm­en wahrgenomm­enen RRI-Konzept zeigten sich einige Stolperste­ine, die bei einer Implementi­erung überwunden werden müssen. Open Access und in Patenten festgeschr­iebenes geistiges Eigentum würden als Widerspruc­h gesehen, Gender-Themen und Inklusion einer breiteren Öffentlich­keit sind im Technikumf­eld altbekannt­e Probleme.

Der Prozess hin zu einer „Wissenscha­ft mit und für die Gesellscha­ft“ist auch aus der Sicht Ibarras ein weiter: „Um das umzusetzen, müssen wir uns verändern“, sagt er. „Es ist nicht möglich, das heute oder morgen zu implementi­eren. Aber wir müssen darüber reflektier­en.“(pum)

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theoretike­r Andoni Ibarra.
Foto: AMC Der baskische Wissenscha­fts theoretike­r Andoni Ibarra.

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