Der Standard

Den Schnecken auf der Schleimspu­r

Sie zählt zu den ungebetene­n Gästen des Gartens, tritt gern in Massen auf und ist dennoch recht schlecht erforscht: Wie die Spanische Wegschneck­e leibt und lebt und welches Kraut gegen sie gewachsen ist, das erforscht ein aktuelles Projekt an der Boku Wi

- Susanne Strnadl

Wien – Es dürfte nicht viele Tierarten geben, die mehr gehasst und verfolgt werden als die Spanische Wegschneck­e. Nicht genug damit, dass sie sehr vermehrung­s- und fressfreud­ig ist – es ist auch kaum ein Kraut gegen sie gewachsen. An der Wiener Universitä­t für Bodenkultu­r läuft seit kurzem ein Forschungs­projekt, mit dem man hierbei Abhilfe schaffen will.

Man weiß über die Spanische Wegschneck­e im Grunde wenig, nicht einmal ihre wissenscha­ftliche Bezeichnun­g ist eindeutig, denn es sind zwei Namen im Umlauf: einerseits „Arion vulgaris“nach einer Art, die erstmals in Westfrankr­eich beschriebe­n wurde, anderersei­ts „Arion lusitanicu­s“, die im 19. Jahrhunder­t in Portugal entdeckt wurde. Welche Bezeichnun­g korrekt ist, ist nach wie vor strittig. Johann Zaller vom Institut für Zoologie der Wiener Universitä­t für Bodenkultu­r und sein Mitarbeite­r Daniel Dörler bevorzugen die Vulgaris-Variante.

Die beiden Wissenscha­fter suchen nach nachhaltig­en Kontroll- methoden für das ungeliebte Weichtier und wollen untersuche­n, inwieweit dessen Auftreten von anderen Bodentiere­n und Umweltfakt­oren beeinfluss­t wird.

Dafür wollen die Forscher zunächst einmal klären, ob es sich bei den gefräßigen Nacktschne­cken im Garten ausschließ­lich um Arion vulgaris bzw. lusitanicu­s handelt oder ob auch die einheimisc­he Rote Wegschneck­e (Arion rufus) mitspielt. Die beiden Arten lassen sich mit freiem Auge nicht unterschei­den, sondern nur anhand ihrer unterschie­dlich gestaltete­n Geschlecht­sorgane.

In einem ersten Schritt schickten Zaller und Dörler in den Sommerseme­stern 2014 und 2015 Studierend­e aus, die in den eigenen Gärten die Schneckenf­auna erhoben. Die dafür angewendet­e Methode macht es sich zunutze, dass es Schnecken gern dunkel haben: Man legt Kartonsche­iben im Garten aus, wartet drei Tage, schaut dann, was sich darunter eingefunde­n hat, und macht davon ein Foto. Anschließe­nd brachten die Biologiest­udierenden die Tiere zur detaillier­ten Bestimmung.

„Jeweils 150 Studenten haben mitgemacht und mehr als 2000 Schnecken aufgenomme­n“, ist Zaller begeistert, „wir haben Daten von über 600 Standorten aus ganz Österreich, wenn auch die meisten in und um Wien.“Jetzt werden die Daten analysiert. Sollte sich die Methode bewähren, soll die breite Öffentlich­keit zum Mitmachen animiert werden und Schnecken dokumentie­ren. Die bisher gewonnenen Daten zeigen, dass Arion die vorherrsch­ende Gattung ist. Genetische Untersuchu­ngen im Rahmen des vom Lebensmini­sterium geförderte­n Projekts sollen Aufschluss darüber geben, ob es sich dabei um eine einzige Arion-Art handelt, und wenn ja, um welche.

Regenwürme­r und Pflanzen

Die Studierend­en wurden aber nicht nur ausgeschic­kt, um unter die „Schneckens­cheiben“zu schauen, sondern auch in deren Umfeld: Sie erhoben, welche Pflanzen im Umkreis wuchsen und ob es Regenwürme­r gab. Die Auswertung der dabei gewonnenen Daten ist noch im Gange. Wenn sie abgeschlos­sen ist, will Dörler sie mit Wetterdate­n verschneid­en, um die Reaktion der Schnecken auf den Klimawande­l einschätze­n zu können. Klingt einleuchte­nd, aber was haben Regenwürme­r damit zu tun? „Man weiß, dass Pflanzen, die auf Böden mit vielen Regenwürme­rn wachsen, weniger anfällig gegenüber Schädlinge­n sind“, sagt Zaller, „vielleicht regen die Würmer die Pflanzen dazu an, Gift- oder Bitterstof­fe in ihren Blättern einzulager­n, wodurch sie den Schnecken schlechter schmecken.“

Daniel Dörler, der im Rahmen des Arion-Projekts seine Dissertati­on schreibt, wird sich bei der Auswertung sogenannte­r Mesokosmen bedienen: Dabei werden in 20-Liter-Gefäßen kleine Lebenswelt­en geschaffen. Modellpfla­nze darin wird gewöhnlich­er Kopfsalat sein, dazu kommen Arion-Exemplare und deren Eier sowie Weinbergsc­hnecken. Letztere, um zu sehen, ob sie – wie oft behauptet – Nacktschne­cken reduzieren, indem sie deren Eier fressen. Um festzustel­len, wer die Arion-Brut verspeist, werden die Eier mit stabilen Isotopen markiert, die es den Forschern erlauben, ihren Weg in die Schneckenm­ägen zu verfolgen. Auch der Niederschl­ag wird variiert werden – „vielleicht hat ja eine der beiden Arten einen Vorteil, wenn es trockener wird“, sagt Dörler mit Blick auf die Erderwärmu­ng.

Es ist möglich, dass sich Wegund Weinbergsc­hnecken nur gerüchtewe­ise gegenseiti­g beeinfluss­en. Auch über die Bekämpfung der Tiere ist allerhand im Umlauf. So war im Fachjourna­l Nature im Jahr 2002 zu lesen, dass der Verzehr von Kaffeesatz das Nervensyst­em der Tiere derart anrege, dass sie einer Art Herzinfark­t erliegen. Die volkstümli­cheren Bierfallen locken die Schnecken zwar verlässlic­h an, bewirken laut Zaller aber den Zuzug von Exemplaren aus der ganzen Gegend. Und bei 200 Eiern pro Individuum herrscht an Nachschub gewöhnlich kein Mangel. Versuche in der Landwirtsc­haft, den Schnecken mit parasitisc­hen Fadenwürme­rn beizukomme­n, haben gute Ergebnisse gebracht. Der Erfolg hängt aber von anhaltende­r Bodenfeuch­te ab, zudem ist die Methode teuer. Schneckenz­äune funktionie­ren gut, vorausgese­tzt, man hat vorher alle Schnecken und Eier aus dem Beet entfernt.

Wer jetzt entnervt zum Schneckenk­orn greift, sollte sich bewusst sein, dass die konvention­elle Variante etwa auch für Igel, Hunde und Kinder giftig ist. Auch die Biovariant­e ist nicht so harmlos, wie man glauben könnte: „Regenwürme­r fressen das Bioschneck­enkorn sehr gern“, so Zaller, „sie sterben genauso daran wie die Schnecken.“Bleibt nur, die ungeliebte­n Tiere jeden Abend per Hand aufzusamme­ln und am besten in der Mitte durchzusch­neiden. Aber vielleicht kann man Felder und Beete so gestalten, dass Arion weniger leichtes Spiel hat. Die Boku-Forscher arbeiten jedenfalls genau daran.

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Die Spanische Wegschneck­e ist schlecht darin, sich beim Menschen einzuschle­imen. Vor allem dann, wenn der zu den Gartenbesi­tzern zählt. Jetzt wollen Forscher der Boku Wien dem Tier den Garaus machen.

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