Der Standard

Spuren der Geschichte in Keramiksch­alen

Forscher haben am Punta di Zabrone in Kalabrien eine Siedlung aus der Jungbronze­zeit entdeckt. Funde im ehemaligen Verteidigu­ngsgraben lassen Einblicke in das damalige Wirtschaft­sleben zu.

- Kurt de Swaaf

Wien – Der Ausblick ist noch immer beeindruck­end. Weit schweift das Auge über das Tyrrhenisc­he Meer, an klaren Tagen sind am Horizont die Vulkane der Äolischen Inseln sichtbar. Ein Traum in Blau, doch die früheren Bewohner der Punta di Zambrone hatten wohl andere Prioritäte­n. Für sie war der Felsenvors­prung an der kalabrisch­en Küste in Süditalien vor allem ein sicherer Ort. Vom Meer her konnten sich potenziell­e Angreifer kaum ungesehen nähern. Wer dennoch angriff, stand fast überall vor einer steilen, bis zu 30 Meter hohen Felswand. Der einzige flache Zugang an der Landseite war mit einer Schutzmaue­r und einem Verteidigu­ngsgraben versehen. Man hatte das Kap zur Festung ausgebaut.

Die Siedlung auf dem Punta di Zambrone wurde 1991 von Forschern entdeckt und auf das Bronzezeit­alter datiert. Viel war nicht mehr übrig. In der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunder­ts fanden auf dem Gelände tiefgreife­nde Erdarbeite­n statt – zugunsten der Landwirtsc­haft. Die Siedlungss­chichten wurden dabei stark gestört, wie Reinhard Jung vom Institut für Orientalis­che und Europäisch­e Archäologi­e ( OREA) der Österreich­ischen Akademie der Wissenscha­ften (ÖAW) berichtet. Der ehemalige, nun aufgefüllt­e Graben blieb unberührt. Und der hat es in sich, buchstäbli­ch.

Bei einer ersten Grabung 1994 entdeckte man dort eine rund 70 Zentimeter dicke Ascheschic­ht. 2011 startete Jung zusammen mit seinem italienisc­hen Kollegen Marco Pacciarell­i und einem internatio­nalen Team eine intensiver­e Untersuchu­ng. Sie nahmen die Grabenverf­üllung unter die Lupe, Zentimeter um Zentimeter. Der Wissenscha­ftsfonds FWF leistete finanziell­e Unterstütz­ung. Die Mühen lohnten sich. Hunderte Objekte konnten geborgen werden, von Keramik und Knochen bis zu einzelnen, verkohlten Pflanzensa­men. Die Funde ermög- lichen bemerkensw­erte Einblicke in das jungbronze­zeitliche Wirtschaft­sgeschehen.

Das meiste Material stammt aus dem 13. und frühen 12. Jahrhunder­t vor Christus. Am Ende dieser Epoche wurde die Schutzmaue­r offenbar eingerisse­n und der Graben zugeschütt­et. Die Bausteine fanden die Archäologe­n unten in der Ascheschic­ht. Es muss eine gezielte Aktion gewesen sein, meint Reinhard Jung. Oben, zwischen weiteren Steinblöck­en, war ein intaktes Tongefäß eingeklemm­t worden. Ein Hinweis auf ein Ritual?

Die Asche scheint allerdings nicht vom Niederbren­nen der Siedlung zu stammen. Die Mehr-

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Foto: Marco Pacciarell­i 1991 wurde auf dem Punta di Zambrone an der kalabrisch­en Küste in Süditalien eine Siedlung entdeckt.

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