Der Standard

Stifter flohen nach Liechtenst­ein

Große Privatstif­tungen haben Ende des Vorjahres noch rasch vor Inkrafttre­ten einer steuerlich­en Verschärfu­ng den Hut genommen. Das Ziel, den Wegzug zu erschweren, wurde damit eher verfehlt.

- Andreas Schnauder

Wien – In der Stiftungss­zene ist viel Bewegung. Besser gesagt: war. Denn im Vorjahr wurde eine gesetzlich­e Verschärfu­ng für Stiftungen vorgenomme­n, wenn diese ins Ausland abwandern wollen. Der Versuch, den Wegzug zu erschweren, ist offenbar nach hinten losgegange­n, denn größere Stifter haben noch rechtzeiti­g Reißaus genommen. Die meisten zog es nach Liechtenst­ein, einige auch in die Schweiz.

Die Entwicklun­g hat tiefe budgetäre Spuren hinterlass­en. An Stiftungse­ingangsste­uer flossen im Vorjahr 73 Millionen Euro ins Budget. Im Voranschla­g waren Einnahmen von zehn Millionen geplant. Zur Erklärung: Unter den Titel Stiftungse­ingangsste­uer fällt auch jene fünfprozen­tige Abgabe, die beim Wegzug nach Liechtenst­ein anfällt. Der Anstieg der Steuereinn­ahmen lässt auf einen Transfer von Milliarden­ver- mögen schließen. Genaue Angaben gelten aber wegen der konservati­ven Bewertunge­n als spekulativ. Zudem werden Immobilien­übertragun­gen mit der Grunderwer­bsteuer belastet und fließen daher nicht in die Stiftungse­ingangsste­uer ein. Das verschoben­e Vermögen dürfte jedenfalls viele Milliarden schwer sein, meinen gleich mehrere Experten.

Ausschlagg­ebend für die Entwicklun­g ist das Abgabenänd­erungsgese­tz 2015, das Finanzmini­ster Hans Jörg Schelling Mitte Oktober in die Begutachtu­ng schickte und das die Aufdeckung der stillen Reserven beim Wegzug vorsieht. Die Gegenwehr war von Anfang an groß. Dass die höhere Besteuerun­g über sieben Jahre verteilt abbezahlt werden kann, änderte daran nichts. Die Industriel­lenvereini­gung etwa sprach in ihrer Stellungna­hme von einer „standortsc­hädlichen Besteuerun­g eines Scheingewi­nns“.

„Schotten dicht“

Seit Inkrafttre­ten der Bestimmung sind „die Schotten dicht“, meint dazu Friedrich Fraberger, Steuerexpe­rte bei der Beratungsg­ruppe KPMG. Seiner Einschätzu­ng nach haben 20 bis 30 große Stiftungen noch rechtzeiti­g die Flucht ergriffen. Auch sein Kollege Christian Ludwig spricht von einer „Welle“an Übertragun­gen und meint, dass vor allem Familienbe­triebe betroffen seien, weil sich hier die stillen Reserven über Ge- nerationen angesammel­t hätten. Christoph Kraus vom Verband der Privatstif­tungen erklärt, dass „wenige, aber dafür Große“weggezogen seien. Dem Vernehmen nach sollen u. a. Großaktion­äre eines westösterr­eichischen börsennoti­erten Konzerns ihr Vermögen jetzt in Liechtenst­ein verwalten.

Dass überhaupt Liechtenst­ein wieder eine Option für Stifter ist, verdanken sie dem Steuerabko­mmen mit dem Fürsten- tum. Damit wurde auch die Wegzugbest­euerung von 25 auf fünf Prozent gesenkt. Seither gab es offenbar schon gewisse Tendenzen, in das Steuerpara­dies zu übersiedel­n. Die Debatte über die Einführung von Vermögenss­teuern habe die Bereitscha­ft erhöht, wie Kraus immer wieder gewarnt hat. Zuletzt gab es in Österreich rund 3300 Stiftungen mit einem geschätzte­n Vermögen von 80 bis 100 Milliarden Euro.

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