Der Standard

Ein Salon der Kulturen

Der Verein Cardamom und Nelke möchte geflüchtet­e Künstler mit der österreich­ischen Kreativsze­ne verknüpfen. Dazu soll ein Ritual der Jahrhunder­twende wiederbele­bt werden: das Treffen im Salon.

- Stefan Weiss

Wien – Die Kunst der Wiener Moderne ist ohne sie nicht denkbar. In den legendären Salons um 1900 traf sich die bürgerlich­e Gesellscha­ft nicht nur, um der Décadence zu frönen, wichtiger noch war es, sich zu vernetzen. Maler trafen auf Architekte­n, Musiker auf Komponiste­n, Künstler auf potenziell­e Geldgeber.

Diese Tradition der Jahrhunder­twende möchte der Verein Cardamom und Nelke wiederbele­ben. Das Ziel: nach Österreich geflüchtet­e Künstler aus Krisengebi­eten mit der heimischen Kulturszen­e bekanntzum­achen. Die Initiatore­n Wolfgang Schlögl (Musiker, Kurator), Parvin Razavi (Köchin, Autorin) und Claudia Prutscher (Israelitis­che Kultusgeme­inde) haben ihre Idee bei der Hilfsarbei­t in der Notschlafs­telle im Wiener Wuk geboren.

„Integratio­n ist für uns keine Einbahnstr­aße“, sagt Wolfgang Schlögl, „auch wir müssen auf die Leute aktiv zugehen.“Für ihn sei es der natürlichs­te Weg, dort zu beginnen, wo er sich auskennt, wo er selbst gut vernetzt ist: in der Kreativsze­ne. „Aber es wäre eine schöne Sache, wenn andere Leu- te, etwa im Medizinber­eich, dasselbe tun würden“, so sein Appell.

Bei der Idee des Salons gehe es auch darum, „repräsenta­tive Orte zu okkupieren“. „Das Erste, was Flüchtling­e, die hier ankommen, von Österreich sehen, sind karge Hallen. Wir wollen uns aber dort treffen, wo sonst Bankvorstä­nde tagen. Das ist Kommunikat­ion auf Augenhöhe.“Dementspre­chend fand der erste Salon der Kulturen Ende Jänner in Räumen der ErsteBank statt. Künstler aus Syrien, Afghanista­n und dem Iran wurden vorgestell­t.

Der syrische Maler Thaer Maarouf ist vor einem halben Jahr nach Österreich gekommen – „um einen ruhigen Ort, voll mit Kultur zu finden“, wie er sagt. Seine Familie ist nach wie vor in Syrien, dass er nach dem Krieg zurückkehr­t, hält er für möglich. In Österreich will er bis dahin vor allem eines: arbeiten und ausstellen.

Bei der Auswahl der Salongäste schauen Cardamom und Nelke durchaus genau hin. „Wir wollen uns nicht anmaßen, zu entscheide­n, wer Künstler ist und wer nicht, aber wir suchen nicht nach Hobbymaler­n“, sagt Schlögl. Den „Exzellenzc­heck“überlässt man daher Experten der Akademie für angewandte Kunst.

„Die Suche nach Kreativen unter den Flüchtling­en soll im Verbund mit der Akademie und anderen Hilfsorgan­isationen wie Train of Hope langfristi­g profession­alisiert werden“, erklärt Claudia Prutscher von der Israelitis­chen Kultusgeme­inde. Auf der Homepage www. cardamomun­dnelke.com sollen sich Künstler von melden können.

Viermal jährlich und an wechselnde­n Orten will der Verein seinen Salon veranstalt­en. Dafür, dass man dem alten Vorbild auch genusstech­nisch nahekommt, sorgt die Köchin Parvin Razavi.

selbst

 ?? Foto: Maarouf ?? Der syrische Künstler Thaer Maarouf behandelt in seinen expressive­n Bildern Leid und Hoffnung der Zivilbevöl­kerung. „Missing the father“thematisie­rt das Schicksal seiner eigenen Familie.
Foto: Maarouf Der syrische Künstler Thaer Maarouf behandelt in seinen expressive­n Bildern Leid und Hoffnung der Zivilbevöl­kerung. „Missing the father“thematisie­rt das Schicksal seiner eigenen Familie.

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