Die Zäune hoch, die Grenzen dicht
Ein Wettbewerb ist entbrannt, wer sich die Flüchtlinge am besten vom Leib hält
Jetzt also Plan B. Plan A ist gestorben. Eine gemeinsame europäische Lösung wird es für die Flüchtlingsbewegung nicht geben. Das hat sich in den vergangenen Tagen immer deutlicher abgezeichnet. Das liegt auch an der Europäischen Gemeinschaft als solcher, noch viel mehr aber an ihren einzelnen Mitgliedsstaaten. Diese sind, wenn sie eigene Vorteile wahren und vermeintliche Nachteile abwehren können, immer noch nur sich selbst verpflichtet. Sie lassen die Europäische Gemeinschaft eine Gemeinschaft sein, die diesen Namen nicht verdient.
Solidarität gibt es nicht. Weder Solidarität mit den Flüchtlingen noch Solidarität mit jenen Mitgliedsstaaten, die die Hauptlast der Flüchtlingsbewegung zu tragen haben. Eine koordinierte Aufteilung wird es nicht geben. Die „Gemeinschaft“agiert nach dem Motto: Wer Flüchtlinge nimmt, ist selbst schuld und soll allein schauen, wie er mit ihnen zurechtkommt.
Das musste auch Bundeskanzler Werner Faymann einsehen. Ihm ist zugutezuhalten, dass er lange die europäische Idee hochgehalten hat und an ihren guten Kern glauben wollte. Er hat – im Windschatten von Deutschlands Kanzlerin Angela Merkel und angesteckt von ihrem Optimismus – eine Utopie verfolgt: dass es in Europa möglich sein soll, das Flüchtlingsproblem gemeinsam zu schultern und Menschen in Not, die unter Lebensgefahr vor dem Krieg in ihrer Heimat fliehen, zu helfen. Wenn die EU zusammengestanden wäre, gäbe es kein Flüchtlingsproblem, sondern eine Herausforderung, die man meistern hätte können, ohne dass ein Land über Gebühr beansprucht wird. ber so ist Europa nicht. Europa ist die Summe von Einzelinteressen, in der hehre Ziele, die nicht von Machtinteressen geleitet sind, Utopien bleiben, bestenfalls.
Faymann kann man vorwerfen, dass er zu lange an einer europäischen Idee festgehalten hat. Jetzt hat er Merkel den Rücken gekehrt und sich wieder dem politischen Mainstream untergeordnet. Er macht das nicht gern, immerhin. „Es ist zynisch, sich darüber zu freuen, wenn eine europäische Lösung nicht zustande kommt“, sagt er.
Also Plan B. Jeder für sich, jeder gegen den anderen. Während in Syrien weiter gebombt und getötet und vertrieben wird, ist in Europa ein
AWettbewerb unter den einzelnen Staaten ausgebrochen, wer sich die Flüchtlinge am besten vom Leib hält.
Österreich tut da mit, das ist der Plan B. Im Konkreten sind das Zäune, Barrieren, Soldaten und Polizisten an der Grenze. Das nennt sich zynisch „Grenzmanagement“. An der österreichisch-slowenischen Grenze in Spielfeld ist das eine bewachte Anlage mit Zäunen rundherum. Dieses Grenzmanagement soll jetzt auch auf dem Brenner, in Arnoldstein und an zehn weiteren Übergängen umgesetzt werden, samt „lageangepassten Kontrollen im Hinterland“und „Aufklärung des Vor- grenzbereiches“. Das klingt ein wenig nach unserem eigenen, kleinen Krieg.
Rundum werden also die Grenzen dichtgemacht, von Österreich selbst, von seinen Nachbarn oder von den Ländern entlang der Balkanroute. Bilder vom Eisernen Vorhang werden wach. Und, das ist nicht minder bitter, Tirol wird gerade wieder getrennt, in seinen nördlichen und den südlichen Teil. Das ist, um es klar zu sagen, nicht die Schuld der Flüchtlinge, sondern liegt im Unvermögen jener Politiker begründet, die in Europa an der Macht sind, die europäische Idee aber nicht erkennen können oder wollen.