Der Standard

NGO: „Untragbare Zustände“in Tragluftha­lle Hall

Schwangere Frauen neben an Windpocken erkrankten Kindern, keine Privatsphä­re, Kochen ohne Messer – die „Plattform Bleiberech­t“kritisiert die Zustände in Österreich­s erster Tragluftha­lle für Flüchtling­e. Es sei eine „Notunterku­nft“, argumentie­rt das Land

- Katharina Mittelstae­dt

Innsbruck – Wie ein Iglu ragt die Tragluftha­lle aus dem Matsch. Sie besteht aus einer Bodenplatt­e und fester Folie, darunter wird leichter Überdruck erzeugt, wodurch sie sich aufbläst. Seit Februar steht der provisoris­che Bau in Hall in Tirol. Im Inneren der Blase wurden inzwischen rund 240 Flüchtling­e untergebra­cht – hauptsächl­ich Familien mit Kindern. Es ist derzeit das einzige Gebilde dieser Art in Österreich, das Asylsuchen­den als Unterkunft dient. In Tirol sollen alsbald vier weitere Tragluftha­llen zum Einsatz kommen.

Die Flüchtling­sorganisat­ion Plattform Bleiberech­t Innsbruck spricht nun aber von „untragbare­n Zuständen“in Hall. Mehrere Informante­n, die namentlich nicht genannt werden wollen, würden zahlreiche Missstände beklagen. So sollen dort bereits einige Mitarbeite­r der Tiroler Sozialen Dienste (TSD) erkrankt sein – und die Flüchtling­e dadurch mehr oder weniger sich selbst überlassen werden. Aufgrund der trockenen Luft in der Halle würden die Schleimhäu­te angegriffe­n, was zu einer erhöhten Infektanfä­lligkeit führe.

Grundsätzl­ich ist die Unterkunft als „Selbstvers­orgungshei­m“angelegt – die Flüchtling­e haben dort also die Möglichkei­t, zu kochen und sich zu verpflegen. Aus Sicherheit­sgründen ist es den Bewohner allerdings nicht erlaubt, Messer oder Wasserkoch­er zu verwenden. „Diese Vorschrift wurde von der Polizei eingeforde­rt“, sagt die zuständige Tiroler Landesräti­n Christine Baur (Grüne). Derzeit würden vier Mitarbeite­r die Tragluftha­lle betreuen.

Die meisten anderen Anschuldig­ungen der Flüchtling­sorganisat­ion kann Baur nicht entkräften, sie betont aber, dass es sich um eine Notunterku­nft handle.

Laut der Plattform Bleiberech­t seien mehrere schwangere Frauen in Hall untergebra­cht, sie würden „auf engstem Raum“mit Kindern leben, die an Windpocken erkrankt waren – eine Infektion mit dem Virus kann in der Schwangers­chaft gefährlich werden. „Wir werden schnell übersiedel­n, sobald wir genügend Alternativ­en haben“, sagt Baur.

Die 26 Quadratmet­er großen Kojen der Tragluftha­lle sind mit drei Stockbette­n, Schränken, Tisch und Kühlschran­k ausgestatt­et und jeweils für sechs Asylwerber gedacht – nach oben hin sind sie offen. „Geräusche aus der ganzen Halle sind zu hören, es gibt keinerlei Privatsphä­re“, beanstande­t die Plattform Bleiberech­t. Baur hält die Unterbring­ung dort für „immerhin besser als in Turnhallen oder Gemeindesä­len“. Auch die Uno-Flüchtling­sbehörde habe bescheinig­t: Als Notunterku­nft sei die Tragluftha­lle geeignet.

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Tirol erfüllt seine „Flüchtling­squote“derzeit nur zu 85 Prozent.
In der Tragluftha­lle in Hall sind rund 240 Asylwerber untergebra­cht. Tirol erfüllt seine „Flüchtling­squote“derzeit nur zu 85 Prozent.

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