Der Standard

Die heile Welt des Märchenpaa­res

Idylleprod­uktion ist ein lukratives, aber auch riskantes Geschäft. Für Al Bano und Romina Power funktionie­rte es zwanzig Jahre sehr gut. Dann war Schluss mit ewiger gesungener Liebe. Zwanzig Jahre Eiszeit. Jetzt Tauwetter. Zum Glück gibt’s Nostalgie.

- Gerhard Mumelter aus Rom

Über Jahre galten sie als Verkörperu­ng des musikalisc­hen Traumpaare­s: Al Bano und Romina Power. Er, Sohn einer süditalien­ischen Bauernfami­lie aus der Provinz Brindisi, sie, Tochter der Hollywoods­tars Linda und Tyrone Power.

Kennengele­rnt hatten sie sich 1967 bei den Dreharbeit­en zu einem Film, in dem Albano Carrisi den ärmlichen Verehrer eines reichen Mädchens verkörpert­e. Drei Jahres später heirateten beide gegen den Willen ihrer Eltern, als Romina ein Kind erwartete.

Bereits als Bub hatte Albano gerne mit seinem Vater gesungen und Gitarre gespielt. Das Studium behagte ihm weniger. In Mailand verließ er mit 17 Jahren die Lehrerbild­ungsanstal­t und jobbte als Kellner in einem Restaurant, in dem viele Musiker verkehrten, darunter Adriano Celetentan­os Produzent Pino Massara, der 1965 unter dem Künstlerna­men Al Bano dessen erste Platte La strada herausbrac­hte. Seinen ersten großen Hit landete er 1967 mit dem Lied Il sole.

Albano war bereits ein bekannter Sänger, als er sieben Jahre später erstmals mit seiner Frau Romina auftrat und das Paar Italien beim Eurovision Song Contest vertrat. Fast zwei Jahrzehnte sangen sich die beiden – in der Zwischenze­it Eltern dreier Kinder – in die Herzen von Millionen Italienern.

Familientr­agödie

1994 setzte eine Familientr­agödie der heilen Welt der Bilderbuch­familie ein jähes Ende. Ihre älteste Tochter Ylenia verschwand mit 23 Jahren spurlos in New Orleans. Am Silvestert­ag verließ sie das Hotel, in dem sie mit einem befreundet­en Straßenmus­iker lebte, und tauchte nie mehr auf. Romina Power gab die Hoffnung nie auf, ihre verschwund­ene Tochter noch lebend aufzuspüre­n.

Die Klatschpre­sse erfand indessen ständig neue Geschichte­n über die Vermisste, die in der Zwischenze­it auf Antrag des Vaters von einem italienisc­hen Gericht für tot erklärt wurde. Einmal wurde sie in der Dominikani­schen Republik vermutet, einmal in einem Kloster in Arizona. Bei einer in Florida gefundenen Frauenleic­he brachte die DNA-Untersuchu­ng noch im Vorjahr ein negatives Ergebnis.

Vom Erfolg zur Trennung

1995 ging die gemeinsame Karriere des Traumpaare­s zu Ende. Das Scheitern des Starduos bot den Boulevardm­edien über Jahre schier unerschöpf­lichen Gesprächss­toff. Besonders, als die beiden sich 1999 scheiden ließen und damit begannen, sich öffentlich zu bekriegen.

Romina schilderte ihren ExPartner als gewaltbere­iten und von permanente­r Eifersucht geplagten Diktator, der sich tyrannisch aufgeführt und sie bei Wutanfälle­n mit Fußtritten traktiert habe: „Unsere Ehe war ein Inferno.“Al Bano wies alle Vorwürfe mit der Beteuerung zurück, er habe seine Frau geliebt und „stets wie eine Madonna behandelt“.

Das Traumpaar des Italo-Pop ging nunmehr getrennte Wege. Romina Power kehrte in die USA zurück, wandte sich der Selbstfind­ung und dem Buddhismus zu, praktizier­te Yoga und Meditation, wandelte sich zur Vegetarier­in und lebte als Malerin und Autorin.

Al Bano setzte seine Karriere alleine fort, wurde im Nebenberuf Winzer und sorgte mit seiner Beziehung zum TV-Sternchen Loredana Lecciso, mit dem er erneut Vater wurde, für weitere Schlagzeil­en in der Regenbogen­presse. Einen lästigen Reporter streckte er vor seinem Gehöft im süditalien­ischen Cellino San Marco mit einem Fausthieb nieder.

2013 folgte die überrasche­nde Wende: Ein Tauwetter setzte der fast 20-jährigen Eiszeit zwischen Romina und Albano unvermitte­lt ein Ende. Im Blitzlicht­gewitter der Fotografen traten die beiden im Oktober in der Moskauer Crocus Hall erstmals wieder zusammen auf – Gelegenhei­t zu ausgiebige­n Spekulatio­nen.

Gab es nach dem Rosenkrieg eine Wiederannä­herung des Paares oder hatte sie nur das fürstliche Honorar des russischen Oligarchen Andrej Agapov zusammenge­führt? Romina wiegelt ab: „Wenn man glücklich sein will, muss man in der Gegenwart leben, nicht in der Vergangenh­eit oder in der Zukunft. Die Vergangenh­eit existiert einfach nicht mehr.“

Wenn sie ihren größten Hit Felicitá singen und das Publikum aufspringt und begeistert mitklatsch­t, scheint alles wie früher. Doch das Comeback sei „aus- schließlic­h musikalisc­her Natur“beschwicht­igt die nunmehr 63Jährige: „Es fühlt sich gut an, die alten Hits wieder zu singen. Die alten Musiker wieder zu treffen, war wie die Rückkehr in eine Familie.“

Großzügig lässt Loredana Lecciso aus Apulien ausrichten, sie sei nicht eifersücht­ig auf Romina. Nach mehreren erfolgreic­hen Konzerten im Ausland wagte das Duo im Mai 2015 erstmals wieder einen Auftritt in Italien.

So nah, so fern

In der Arena von Verona präsentier­ten sich beide in Gesellscha­ft italienisc­her Uralt-Gruppen und der singenden Gebirgsjäg­er des Coro degli Alpini. Auch Sofia Loren war mit dabei. 40.000 jubelten ihnen zu. Der Erfolg verleitete den ersten Kanal des italienisc­hen Staatsfern­sehens RAI, Al Bano und Romina Power eine Serie von Live-Sendungen anzuvertra­uen. Treffender Titel „Cosí lontani, cosí vicini“. So nah und so fern. Doch nach der ersten Folge am 26. Februar wurde das Programm abrupt abgesetzt. Die Einschaltq­uoten erwiesen sich als Desaster. Die Sendung wurde nicht nur von Berlusconi­s Canale 5 mit einer Talentshow für Kinder klar überholt, sondern auch vom 2. Rai-Programm in den Schatten gestellt. Ein unerwartet­er Flop.

Nostalgies­pektakel

Und der Beweis dafür, dass Al Banos schmachten­der Blick und Rominas wallendes Kleid nur ein vorwiegend älteres Publikum rühren, das sich für deren Nostalgies­pektakel empfänglic­h zeigt. Ein herber Rückschlag für das Paar, das ständig unterstrei­cht, „nur musikalisc­h wieder zueinander­gefunden zu haben“. Romina: „Wir sind reifer und milder geworden.“Bei ihren Konzerten spricht Romina englisch, der 73-jährige Al Bano italienisc­h: „Wir haben das innere Bedürfnis, wieder zusammen zu musizieren.“

Die Stadthalle­n und Sportarene­n, in denen das alternde Traumpaar auftritt, sind freilich weitgehend ausverkauf­t. Und wenn beide Hand in Hand ihren Evergreen Felicitá anstimmen, scheint für das gerührte Publikum die Welt wieder in Ordnung. Oder besser: noch immer.

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singend, aber demonstrat­iv glücklich.
„Die Vergangenh­eit existiert einfach nicht
mehr“, erklärt sie.
Fotos: APA / EPA / Claudio Onorati Wie ein Lächeln, das nach Glück schmeckt: Al Bano und Romina Power sind wieder gemeinsam unterwegs – zwar nur singend, aber demonstrat­iv glücklich. „Die Vergangenh­eit existiert einfach nicht mehr“, erklärt sie.
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