Der Standard

Darwins Rottweiler und Papst der Atheisten

Der Evolutions­biologe Richard Dawkins ist einer der wichtigste­n Denker weltweit. Am Samstag feiert der streitbare britische Atheist seinen 75. Geburtstag. Seine Autobiogra­fie liegt nun auch auf Deutsch vor.

- Klaus Taschwer

Wien – Zwischen den innovative­n Leistungen von Forschern und deren öffentlich­er Anerkennun­g vergehen im Normalfall etliche Jahre. Und so kann es passieren, dass diese neuen Erkenntnis­se schon wieder überholt sind, wenn sie sich in der breiten Öffentlich­keit durchsetze­n. Bei Richard Dawkins, der am 26. März 75 Jahre alt wird, war das ein wenig anders.

Der britische Evolutions­biologe gehört bereits seit vielen Jahren zu den wichtigste­n Vertretern seiner Zunft: Vom Magazin Time wurde er 2007 zu einem der 100 einflussre­ichsten Menschen der Welt gewählt, von britischen und US-amerikanis­chen Juroren im Journal Prospect kürzlich sogar zum wichtigste­n Intellektu­ellen weltweit.

Sein wichtigste­s wissenscha­ftliches Werk erschien aber auch schon wieder vor 40 Jahren: Mit dem Bestseller Das egoistisch­e Gen (1976) attackiert­e der damals 35-Jährige nicht zuletzt die klassische Verhaltens­forschung, die damals auf dem Höhepunkt ihres Einflusses war. Deren Grundlagen waren in den 1930er-Jahren von Konrad Lorenz und seinem Kolle- gen Niko Tinbergen entwickelt worden, die dafür 1973 den Medizin-Nobelpreis erhielten. Drei Jahre später knöpfte sich Dawkins, der in Oxford bei Tinbergen promoviert hatte, deren evolutions­theoretisc­he Annahmen vor.

Gene als evolutionä­re Einheit

Die Verhaltens­forscher würden sich irren, „weil sie nicht richtig verstanden haben, wie die Evolution funktionie­rt“, kritisiert­e Dawkins. Lorenz und Kollegen waren davon ausgegange­n, dass sich Verhaltens­weisen evolutionä­r durchsetze­n, wenn sie der Erhaltung der Art dienen. Damit machte Dawkins Schluss. Die entscheide­nde Einheit der Evolution und damit der natürliche­n Selektion sei nicht die Art oder das Individuum: Lebewesen – egal ob Bakterium oder Mensch – seien im Grunde nur „Überlebens­maschinen“für die einzelnen Gene.

Bis heute wurde das Buch in fast 30 Sprachen übersetzt und hält bei einer Gesamtaufl­age von weit mehr als einer Million Exemplaren. Das liegt nicht nur daran, dass es glänzend geschriebe­n ist. Dawkins führte darin auch den Begriff „Meme“ein. Darunter versteht er das kulturelle Äquivalent zu Genen: Meme würden von Gehirn zu Gehirn springen, das Verhalten bestimmen und sich durch Nachahmung verbreiten.

Mit Der blinde Uhrmacher legte Dawkins 1986 einen weiteren Bestseller nach, der Darwins Evo- lutionsthe­orie radikal deutete. Mit dem Titel spielte er auf Vorstellun­gen an, die hinter der Evolution eine Art von intelligen­ter Kraft vermuten. Dem erteilte Dawkins eine eindeutige Absage: Die natürliche Selektion sei ein zufälliger Vorgang ohne Ziel.

Im Jahr 1995 übernahm der Biologe dann den eigens für ihn eingericht­eten Lehrstuhl für Public Understand­ing of Science an der Uni Oxford. Diese spezielle Professur ermöglicht­e es ihm, sich ganz seiner Mission zu widmen: eine radikaldar­winistisch­e Version der Evolutions­theorie zu predigen. Das trug ihm den Titel „Darwins Rottweiler“ein, eine Anspielung auf Thomas Huxley, der als Darwins Bulldogge galt.

Sein Einfluss reichte damals längst über die Wissenscha­ft hinaus. So etwa bezeichnet­e sich der 2001 verstorben­e Science-FictionAut­or Douglas Adams als „Dawkinsist“. Die beiden verband auch eine enge Freundscha­ft, was wohl auch daran lag, dass Adams so wie Dawkins Atheist war.

Militanter Atheismus

Aus dieser militant vertretene­n Überzeugun­g entstand der bislang letzte große Bestseller des Biologen: In Der Gotteswahn (2006) erklärte er religiöse Überzeugun­gen unter anderem zu mentalen Viren, die sich ähnlich einem Computervi­rus von Gehirn zu Gehirn verbreiten und auf diese Weise für Böses in der Welt sorgen würden.

Wie Dawkins all seine einflussre­ichen „Meme“entwickelt hat, kann man nun auch in seinen eigenen Worten auf Deutsch nachlesen. Seine etwas weitschwei­fig geratene Autobiogra­fie Die Poesie der Naturwisse­nschaften ist allerdings nur hartgesott­enen DawkinsFan­s zu empfehlen. Und wenn der Biologe darin in der ihm eigenen Arroganz etwa über die Epigenetik herzieht, dann muss man fürchten, dass der einst innovative Wissenscha­fter längst in seiner eigenen Orthodoxie gefangen ist.

Richard Dawkins, „Die Poesie der Naturwisse­nschaften“. Autobiogra­fie. € 39,10 / 730 Seiten. Ullstein, Berlin 2016

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Mit „Der Gotteswahn“schrieb der britische Evolutions­biologe Richard Dawkins so etwas wie eine Bibel des Atheismus. Das Buch trug mit dazu bei, dass er heute als einer der weltweit wichtigste­n Denker gilt.
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