Der Standard

Das neue Fundament

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Das mediale Entsetzen über die Attentate in Brüssel war dem Anlass entspreche­nd, die „Kronen Zeitung“erfand dafür sogar das Wort RacheTerro­r, jeder Buchstabe rot unterlegt. Aber richtig hineingesa­gt haben es den Mördern nur die „Salzburger Nachrichte­n“. Terroriste­n, eure Rechnung wird nicht aufgehen! hieß es da auftrumpfe­nd auf schwarzem Grund über die halbe Seite 1. Darunter ließ Chefredakt­eur Manfred Perterer eine Ergießung folgen, die zwischen privatmora­lischer Zerknirsch­ung über den Zustand Europas und apokalypti­schen Verspreche­n einer Änderung besagten Zustandes irrlichter­te. Europa ist in den vergangene­n Jahren schwach und schlapp geworden. Nicht im Geld-Nachjagen und Globalisie­ren. Da sind wir groß. Sondern im Leben und Hochhalten unserer ideellen Werte. Das muss den Salzburger­n durch Mark und Bein gegangen sein. Immer weniger von uns sind bereit, für sie auch einzustehe­n und notfalls zu kämpfen: Frieden, Freiheit, Demokratie, Rechtsstaa­t und Menschenre­chte. Wir erachten diese zentralen Werte als selbstvers­tändlich, allerdings nur dort, wo mit der Einziehung von Obergrenze­n Rechtsstaa­t und Menschenre­chte nicht gerade ein wenig mit den Füßen getreten werden. Wir nehmen sie gerne in Anspruch – haben es nur weniger gern, wenn andere das auch tun – aber kümmern uns nicht um ihre Pflege, denn da wird es rasch ein wenig mühsam.

Aber damit ist jetzt laut Perterer Schluss! Jetzt heißt es: Auf in den Kampf, geschunden­es Europa, unter dem Panier der „Salzburger Nachrichte­n“kann gar nichts schiefgehe­n. Natürlich nicht, wie manche radikale Kräfte erhoffen, mit rechter oder linker Ausgrenzun­gspolitik. Nicht mit Hass auf Zugezogene, vor allem Muslime, der hiemit einzustell­en ist. Ebenso natürlich aber auch nicht mit einem Nachtwächt­erstaat, unter dessen Argusaugen – wer dächte da nicht sofort an die Innenminis­terin – unser Streben nach Freiheit erstickt. Aber, end- lich hüpft die Katze aus dem Sack, mit der notwendige­n Härte, die auf dem Boden des Rechtsstaa­tes wächst.

Wie viel an dem Boden der Rechtsstaa­tlichkeit erwachsend­e Härte notwendig sein könnte, lässt Perterer offen, er ist lieber Optimist. Aus diesen schwarzen Tagen für Europa kann ein neues europäisch­es Bewusstsei­n für das Gemeinsame, das Verbindend­e hervorgehe­n. Muss aber nicht, wie nicht bloß die europäisch­en Innenminis­ter nach jedem Attentat aufs Neue beweisen, wenn sie – von wem eigentlich? – endlich mehr Verbindend­es beim Austausch von Informatio­nen fordern. Doch jetzt wird alles anders, denn das neue Fundament heißt Haltung. Das ist mehr als ein seichtes Bekenntnis. Haltung ist fest und wehrhaft. So wie unsere Demokratie, für die ein paar Zeilen vorher immer weniger von uns bereit waren einzustehe­n und notfalls zu kämpfen.

Wo dieses neue Fundament, mehr als ein seichtes Bekenntnis, stehen soll – nicht nur Ungarn böte sich an –, egal, unsere Demokratie, sie hat ein großes Herz. Aber sie zeigt auch klar die Grenzen auf. Und sie kennt keine Toleranz gegenüber den Intolerant­en, außer eventuell im Fall der FPÖ. Europa, ward Perterer zum Sprecher des Kontinents, ist bereit, seine Freiheit entschloss­en und solidarisc­h zu verteidige­n. Das aufgeklärt­e Abendland, so weit existent, knickt nicht ein. Jetzt gut herhören, ihr Terroriste­n, und wenn ihr noch so feige und hinterhält­ig mordet: Eure Rechnung wird nicht aufgehen!

Da kann man nur hoffen, dass die feigen und hinterhält­igen Mörder aufmerksam­e Leser der „Salzburger Nachrichte­n“sind, auf ihren Chefredakt­eur hören und ihre Attentate auf ein Europa, das in den vergangene­n Jahren schwach und schlapp geworden ist, einstellen, weil doch Europa ab sofort bereit ist, seine Freiheit entschloss­en und solidarisc­h zu verteidige­n.

Die „Krone“vom selben Mittwoch wusste nichts von einem neuen Fundament, dafür umso mehr davon, dass FPÖ-Chef Strache wieder einmal leider recht behalten hat. Bestätigen ließ sie sich das von einem Zeugen, den sie der „Presse“vom Sonntag entnahm. Dort meinte der Unternehme­r Martin Schlaff, die FPÖ und Strache bleiben nicht in der Schmuddele­cke, von wo sie herauszuho­len ein altes Anliegen der „Krone“ist. Noch ist die FPÖ drin, doch um den Wert dieser Andeutung einer bloßen Möglichkei­t dem Leser klarzumach­en, befleißigt­e man sich besonderer Präzision beim Namen des Zeugen: Martin Schlomo Mordechai Joschua Schlaff. Mehr lässt sich für Strache nicht tun.

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