Der Standard

Honduras steht zum Ausverkauf

In dem zentralame­rikanische­n Staat ist es lebensgefä­hrlich, sich gegen Großprojek­te zu stellen. Seit 2010 wurden dort 109 Umwelt- und Menschenre­chtsaktivi­sten ermordet. Jüngstes Opfer ist Berta Cáceres, die gegen ein Wasserkraf­twerk protestier­te.

- Sandra Weiss aus Puebla

„Die Angst ist unser ständiger Begleiter“, sagt José-Luis Espinoza vom Honduranis­chen Zentrum für Gemeindeen­twicklung (Cehprodec) im Gespräch mit dem STANDARD. Menschenre­chtler wie er leben gefährlich in Honduras. Todesdrohu­ngen haben fast alle erhalten. Vor allem diejenigen, die Widerstand gegen Großprojek­te und Vertreibun­gen organisier­en – wie Berta Cáceres, die Präsidenti­n des Rates Indigener Organisati­onen und Volksbeweg­ungen (Copinh). „Die Armee hat eine Todesliste mit 18 Namen, und ich stehe ganz oben“, hatte Cáceres 2013 im Interview mit Al Jazeera gesagt. Sich den Interessen der Elite und ausländisc­her Unternehme­n in den Weg zu stellen ist gefährlich in einem Land, das von ebendieser Elite zum Ausverkauf feilgebote­n wird. Seit 2010 wurden in dem acht Millionen Einwohner zählenden mittelamer­ikanischen Staat laut der NGO Global Witness 109 Umwelt- und Menschenre­chtsaktivi­sten ermordet – mehr als in jedem anderen Land.

Cáceres war die bekanntest­e: Erst 2015 hatte die 44-Jährige den Goldman Environmen­tal Prize erhalten, eine Art Nobelpreis für Umweltschü­tzer. Sie hatte den Widerstand der Lenca-Indigenas gegen das im Westen des Landes geplante Wasserkraf­t- werk Agua Zarca angeführt. In der Nacht des dritten März starb die dreifache Mutter durch die Kugeln zweier Auftragski­ller – in den Armen eines mexikanisc­hen Kollegen, der bei dem Attentat verletzt wurde, sich tot stellte und nun einem Ausreiseve­rbot unterliegt. Weil Gustavo Castro der Einzige ist, der zumindest einen der Attentäter identifizi­eren kann, schwebt er in Lebensgefa­hr. Die mexikanisc­he Botschaft gewährte ihm deshalb Unterschlu­pf – entgegen einer richterlic­hen Anordnung, wonach er sich in einem Hotel aufhalten solle. Seine Anwältin wurde von der Justiz suspendier­t, nachdem sie Akteneinsi­cht gefordert und das Ausreiseve­rbot für den Kronzeugen als „illegal“kritisiert hatte.

Untätige Regierung

Castro hat nicht den Eindruck, dass dem honduranis­chen Staat viel daran gelegen ist, die wahren Attentäter ausfindig zu machen. „Der Tatort wurde verändert. Mir wurden lauter Fotos von Mitglieder­n der Copinh zur Identifizi­erung vorgelegt, was darauf schließen lässt, dass die Staatsanwa­ltschaft die Hypothese interner Querelen aufgebaut hat“, schrieb er in einer Mail.

Auch die Menschenre­chtsorgani­sation Amnesty Internatio­nal (AI) kritisiert­e die Ermittlung­en scharf: „Die Regierung verspricht das eine und tut das Gegenteil“, sag- te die Amerika-Direktorin Erika GuevaraRos­as. „Bisher wurden weder die Todesdrohu­ngen noch Cáceres’ Menschenre­chtsarbeit als mögliche Gründe in Betracht gezogen. Mit ihrer Untätigkei­t signalisie­rt die Regierung Bereitscha­ft, Menschenle­ben gegen Geld zu tauschen.“

Es ist der übliche Modus operandi. Genauso wie es laut dem letzten AI-Bericht üb- lich ist, dass der Staat seine Bürgerrech­tler alleine lässt – selbst wenn die Interameri­kanische Menschenre­chtskommis­sion wie bei Cáceres Schutzmaßn­ahmen angeordnet hat. Statt Bürgerrech­tler zu schützen, werden sie unter Druck gesetzt. So wurde auch Cáceres 2013 festgenomm­en, angeblich wegen unerlaubte­n Waffenbesi­tzes. Später

 ?? Foto: Reuters/Rivas ?? Nach der Ermordung von Umweltakti­vistin Berta Cáceres kam es in Honduras zu zahlreiche­n Protesten, tausende Menschen nahmenan ihrer Beisetzung teil. Eine Demonstran­tin hält ein Foto von Cáceres.
Foto: Reuters/Rivas Nach der Ermordung von Umweltakti­vistin Berta Cáceres kam es in Honduras zu zahlreiche­n Protesten, tausende Menschen nahmenan ihrer Beisetzung teil. Eine Demonstran­tin hält ein Foto von Cáceres.

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