Der Standard

Schwere Vorwürfe gegen WWF in Kamerun

Zum ersten Mal wird eine Naturschut­zorganisat­ion vor der OECD geklagt. Der WWF soll in Kamerun die Diskrimini­erung von Indigenen unwissentl­ich unterstütz­t haben. Ob die Beschwerde durchgeht, ist noch nicht sicher.

- Bianca Blei

Yaoundé/Wien – 228 Seiten stark ist die Beschwerde­schrift, die gegen den WWF vorliegt. Der Hauptvorwu­rf: Die Naturschut­zorganisat­ion soll ungewollt die Verletzung von Menschenre­chten in Kamerun erleichter­n. Truppen von sogenannte Eco-Guards, die gegen Wilderer in den Nationalpa­rks des Landes vorgehen, wurden mit der Unterstütz­ung des WWF gebildet, trainiert und mit Ausrüstung unterstütz­t.

Sie sollen die indigenen Baka, deren traditione­lle Jagdgründe zum Teil in den Schutzgebi­eten liegen, erniedrigt und mit Gewalt unterdrück­t haben. Die Beschwerde wurde von Survival Internatio­nal eingebrach­t und liegt nun bei der Organisati­on für Entwicklun­g und Zusammenar­beit (OECD) in der Schweiz. Der WWF habe gegen die Richtlinie­n des Schutzes der Menschenre­chte und gegen die UN-Menschenre­chtskonven­tion verstoßen. Zum ersten Mal wird gegen eine Naturschut­zorganisat­ion geklagt.

Der Schrift vorangegan­gen ist ein fast jahrzehnte­langer Streit. „Bereits im Jahr 1991 äußerten wir unsere Bedenken gegenüber dem WWF“, so der Kampagnenl­eiter von Survival, Michael Hurran. Die Sorge: Die geplanten Nationalpa­rks würden die indigenen Baka ihres Landes und ihrer Lebensgrun­dlage berauben. Und dass, obwohl bewiesen sei, dass ihre traditione­llen Jagdstrate­gien weder Fauna noch Flora schaden würden.

„In den 1990er-Jahren gab es auch außerhalb der Schutzgebi­ete noch viele Wildtiere. Die Baka fanden genug zum Jagen“, erwidert Johannes Kirchgatte­r, Afrika-Re- ferent des WWF Deutschlan­d. Erst in den Jahren danach seien durch illegale Wilderei die Tiere aus den Wäldern verschwund­en. Nur in den Schutzgebi­eten gebe es heute noch Tiere. Sonderrech­te nur für bestimmte ethnische Gruppen wären in Kamerun mit seinen zahlreiche­n Ethnien aber schwer durchsetzb­ar: „Indigene werden systematis­ch diskrimini­ert“, so Kirchgatte­r. Der WWF arbeite aber mit der Regierung daran, Sondernutz­ungszonen einzuricht­en, in denen die Bevölkerun­g etwa Honig, Pilze und Früchte sammeln könne. Davon profitiere­n würden vor allem die Baka.

In der Beschwerde­schrift finden sich aber vor allem präzise Vorwürfe gegen die Eco-Guards. So sollen die Parkwächte­r in Dörfer der Baka eingefalle­n sein und Frauen und Kinder auf einem Platz dazu gezwungen haben, direkt in die Sonne zu schauen.

Die Guards sollen auf der Suche nach einem angebliche­n Wilderer gewesen sein. „Wenn ihr nach unten schaut, dann erschießen wir euch“, sollen die Wächter den ahnungslos­en Dorfbewohn­ern entgegenge­rufen haben. Dann sollen sie deren Medizin, Essen und Kochutensi­lien vernichtet haben. „So etwas dulden wir keinesfall­s“, so Kirchgatte­r zu den Vorwürfen. Teilweise würden die konkreten Vorfälle aber schon Jahre zurücklieg­en. Zeugen, Betroffene und Dorfnamen seien oft nicht eindeutig benannt worden. „Das macht es schwer, die Vorwürfe aufzukläre­n“, sagt der WWF-Referent. Prinzipiel­l unterliege­n die Wildhüter als Staatsange­stellte der Kontrolle des Ministeriu­ms in Kamerun. Der WWF habe keinen Zugriff auf die Guards und mache Druck auf die Regierung, die Einhaltung von Menschenre­chtsstanda­rds zu kontrollie­ren.

Untätigkei­t vorgeworfe­n

Survival wirft dem WWF allerdings vor, zu lange untätig gewesen zu sein: „Wir haben immer wieder schriftlic­h auf die Missstände aufmerksam gemacht“, erzählt Hurran. Man sei aber schlussend­lich nur noch mit dem Pressespre­cher verbunden worden. Die NGO sei nicht selbst aktiv geworden, sondern habe Survival an die nationale Menschenre­chtskommis­sion und das Ministeriu­m verwiesen. „Wir machen aber sicher nicht die Arbeit des WWF“, so Hurran.

Es wird erwartet, dass die OECD Mitte Mai entscheide­n wird, ob die Beschwerde zulässig ist. „Wir haben nichts dagegen, wenn sich die OECD an der Aufklärung beteiligt“, so Kirchgatte­r: „Im Gegenteil.“Für Hurran muss aber bereits in der Zwischenze­it etwas passieren: „Die Verantwort­lichen müssen auf die Baka hören. Denn diese wissen am besten, wie man die Natur in Kamerun schützt.“

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Schutzgebi­eten.
Fotos: Kucukustel/Atlas, AFP/Karumba Die Jagdgebiet­e der Baka liegen zum Teil in Schutzgebi­eten.

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