Staudämme im Amazonas bedrohen seltene Tierarten
Greenpeace kritisiert ein mangelhaftes Umweltverträglichkeitsgutachten
Die neuen Staudammprojekte am Amazonas in Brasilien hätten nicht nur für die vor Ort lebenden rund 12.000 Mitglieder des indigenen Volks der Mundurukú katastrophale Folgen, warnt Greenpeace. Auch Tiere und Pflanzen sind bedroht. Alleine für den mehr als sieben Kilometer breiten São-Luiz-do-Tapajós-Damm, der als Erstes gebaut werden soll, würde ein 729 Quadratkilometer großer Stausee entstehen. Das entspricht einer Fläche, die fast doppelt so groß wie Wien ist. Dadurch würde eine riesige Urwaldfläche, zahlreiche Seen und Inseln zerstört werden.
Das Tal des Tapajós-Flusses, der einer der letzten unberührten Seitenflüsse des Amazonas ist, gilt als eines der artenreichsten. Eine Vielzahl von Säugetieren findet dort ihren Lebensraum. Darunter so seltene Arten wie Jaguar, Gelbkehlhörnchen, Weißwangenklammeraffe, Flussdelfin und Riesengürteltier. Zu den bekanntesten Vögeln in dieser Region gehören der Hyazinth-Ara und der Gelbscheitelpipra. Besonders gefährdet ist die vom Aussterben bedrohte Terekay-Schienenschildkröte. Denn der Tapajós dient den Schildkröten als Brutstätte. „Bislang werden jährlich rund 800.000 Schildkröten am Fluss geboren“, sagt Amazonas-Sprecher Lukas Meus von Greenpeace in Österreich.
Indizien weisen auf weitere, bislang noch unentdeckte Säugetierarten hin. Durch die Folgen des Megastaudamms könnten sie verschwinden, bevor sie überhaupt wissenschaftlich erfasst wurden. „Die brasilianische Regierung plant aber den Bau von mehr als 40 Staudämmen im Gebiet des Tapajós. Das ist verantwortungslos“, kritisiert Meus im Gespräch mit dem STANDARD.
Mangelhafte Prüfung
Das Amazonasgebiet habe bis heute bereits rund 20 Prozent seines Regenwaldes verloren, informiert Meus. Die Regenwälder werden unter anderem für die Rinderzucht, Sojaplantagen, Tropenholz und Bodenschätze gerodet. „In jüngster Zeit verursachen aber auch Megastaudämme ungeahnte Zerstörungen wie jüngst der Belo-Monte-Staudamm“, so Meus. Durch den São-Luiz-do-TapajósStaudamm würden rund 37.600 Hektar Regenwald geschwemmt werden. Zusätzlich würden 223.500 Hektar Wald durch indirekte Zerstörung – etwa durch den Bau von Straßen – verloren gehen.
Noch befindet sich das Dammprojekt in einem frühen Stadium des Genehmigungsprozesses. Das Umweltverträglichkeitsgutachten weist laut Meus bereits schwere Mängel auf: „Lebewesen im Uferbereich, auf Inseln und im Flussbett wurden von der Untersuchung ausgenommen. Doch gerade diese Gebiete werden geflutet.“Zudem wurden nicht alle Projektphasen – Bau, Volllaufen des Stausees und Betrieb – untersucht.
Das Projekt, zu dem Dutzende Dämme gehören, soll bis zu 20 Millionen Haushalte mit Strom versorgen. Die Regierung veranschlagte Kosten von 4,3 Milliarden Euro, inzwischen wird von 7,2 Milliarden ausgegangen. (july)