Wenn die Sonne verunreinigtes Wasser wieder trinkbar macht
In Europa ist das schwer zu begreifen: Der Zugang zu sicherem Trinkwasser ist nicht selbstverständlich, 660 Millionen Menschen weltweit haben keinen Zugriff darauf. Ein österreichisches Start-up will da helfen. Die WHO hat dessen Produkt „Wadi“jüngst em
Wien – Die Sonne hat Martin Wesian nicht erfunden, PET-Plastikflaschen ebenso wenig. Schon länger ist bekannt, dass durch die sogenannte Sodis-Methode verunreinigtes Wasser nur mithilfe von Sonnenstrahlen entkeimt und so trinkbar gemacht werden kann. Das Problem ist aber die genaue Dauer dieses Prozesses: Wasserverschmutzung und Bewölkungsgrad können diesen beeinflussen. Der Vorarlberger Wesian hat mit seinem Start-up-Unternehmen Helioz ein Gerät entwickelt, das – neben die PET-Flaschen in die Sonne gelegt – den genauen Zeitpunkt der Desinfizierung anzeigt: Das solarbetriebene UV-Messgerät „Wadi“misst die UV-Strahlungsintensität und gibt mittels Smiley bekannt, ab wann das verunreinigte Wasser trinkbar geworden ist.
In Österreich, das mit sauberem Trinkwasser gesegnet ist, erwartet Wesian logischerweise keine Kundschaft. Seine Zielgruppe ist eine, die so gar nicht als attraktiv gilt: arme Menschen in Entwicklungsländern ohne sicherem Zugang zu Trinkwasser. Die Weltgesundheitsorganisation WHO schätzt diese Zahl auf 660 Millionen Menschen in Afrika, Asien und Lateinamerika. Mehr als 80 Prozent aller Krankheiten sollen hier auf verschmutztes Trinkwasser zurückzuführen sein.
Das Know-how über die Kraft der Sonne und der genaue Zeitpunkt der Desinfizierung durch Wadi kann jenen Menschen dabei helfen, nicht verunreinigtes Wasser zu trinken. „Diese treffende und nachhaltige Technologie“, sagt Kevin McGuigan vom Royal College of Surgeons Ireland, „kann für tausende Gemeinschaften, die von wasserbedingten Krankheiten betroffen sind, den entscheidenden Unterschied zwischen Leben und Tod machen.“
Von der WHO zertifiziert
Vor kurzem wurde das Produkt der kleinen österreichischen Firma Helioz von der WHO zertifiziert – „als einziges Start-up weltweit“, sagt Wesian dem STANDARD. Die anderen fünf Unternehmen, die mit ihren Produkten ebenfalls die strengen Richtlinien für Trinkwasseraufbereitungssysteme der WHO erfüllen, sind – wie Procter & Gamble oder Vestergaard – bereits etabliert. Wesian: „Unser einziger direkter Konkurrent am Markt macht 700 Millionen Euro Umsatz im Jahr.“
Laut den WHO-Tests ist Wadi äußerst effektiv im Kampf gegen Krankheiten wie Cholera oder Typhus, auch virale Erkrankungen wie Hepatitis A und Kinderlähmung können eingedämmt werden. Bei der Reduktion von Protozoen (tierische Einzeller) im Wasser schnitt Wadi mithilfe der Sodis-Methode überhaupt als bestes aller getesteten Produkte ab.
Wesian verfolgt seine Idee seit dem Jahr 2009. Zahlreiche internationale Auszeichnungen und Preise für sein soziales Produkt folgten. Einzig nachhaltige Geldgeber ließen sich nicht finden. Im Gegenteil: Einer sprang nach einer Zusage sogar ab, Wesian musste sein Unternehmen im Oktober 2012 für ein halbes Jahr zusper- ren. Und das, obwohl es einen Auftrag der pakistanischen Regierung über 100.000 Stück gab. Wesian musste absagen.
10.000 Stück bisher verkauft
Erst seit März 2015 ist das Startup mit sechs Mitarbeitern lieferfähig. Bislang wurden 10.000 Stück verkauft – nach Uganda, Kenia, Äthiopien, Papua-Neuguinea, Indien oder auf die Philippinen. Das Gerät kostet 15 Euro, bei Großbestellmengen 10 Euro. Der Vorteil gegenüber Wasserfiltersystemen: Wadi kann einige Jahre im Einsatz bleiben. „Wir hoffen auf die Vereinten Nationen oder auch auf gro- ße NGOs“, sagt Wesian. Zum Einsatz soll Wadi auch in Dorfgemeinschaften kommen: Schließlich kann das Gerät auch neben 100 PET-Wasserflaschen gelegt werden. „Die Leute im Dorf verkaufen dann das trinkbare Wasser weiter“, sagt Wesian. So können auch Kleinstunternehmen gefördert werden.
Neben der Verbreitung von Wadi arbeitet Wesian mit Partnern auch an der Forschung und Entwicklung weiterer Produkte, die auf dieser Technologie basieren. So sollen Kanister, mit denen arme Menschen Wasser von möglicherweise verunreinigten Wasserstellen ins Dorf bringen, transparent gemacht und mit Wadi-Elektronik ausgestattet werden. „Dadurch wird das Wasser bereits desinfiziert, während die Leute noch auf dem Weg sind“, sagt Wesian. Das solarbetriebene UV-Messgerät Wadi zeigt den Zeitpunkt der Desinfizierung mit einem Smiley an.