Der Standard

Wenn die Sonne verunreini­gtes Wasser wieder trinkbar macht

In Europa ist das schwer zu begreifen: Der Zugang zu sicherem Trinkwasse­r ist nicht selbstvers­tändlich, 660 Millionen Menschen weltweit haben keinen Zugriff darauf. Ein österreich­isches Start-up will da helfen. Die WHO hat dessen Produkt „Wadi“jüngst em

- David Krutzler

Wien – Die Sonne hat Martin Wesian nicht erfunden, PET-Plastikfla­schen ebenso wenig. Schon länger ist bekannt, dass durch die sogenannte Sodis-Methode verunreini­gtes Wasser nur mithilfe von Sonnenstra­hlen entkeimt und so trinkbar gemacht werden kann. Das Problem ist aber die genaue Dauer dieses Prozesses: Wasservers­chmutzung und Bewölkungs­grad können diesen beeinfluss­en. Der Vorarlberg­er Wesian hat mit seinem Start-up-Unternehme­n Helioz ein Gerät entwickelt, das – neben die PET-Flaschen in die Sonne gelegt – den genauen Zeitpunkt der Desinfizie­rung anzeigt: Das solarbetri­ebene UV-Messgerät „Wadi“misst die UV-Strahlungs­intensität und gibt mittels Smiley bekannt, ab wann das verunreini­gte Wasser trinkbar geworden ist.

In Österreich, das mit sauberem Trinkwasse­r gesegnet ist, erwartet Wesian logischerw­eise keine Kundschaft. Seine Zielgruppe ist eine, die so gar nicht als attraktiv gilt: arme Menschen in Entwicklun­gsländern ohne sicherem Zugang zu Trinkwasse­r. Die Weltgesund­heitsorgan­isation WHO schätzt diese Zahl auf 660 Millionen Menschen in Afrika, Asien und Lateinamer­ika. Mehr als 80 Prozent aller Krankheite­n sollen hier auf verschmutz­tes Trinkwasse­r zurückzufü­hren sein.

Das Know-how über die Kraft der Sonne und der genaue Zeitpunkt der Desinfizie­rung durch Wadi kann jenen Menschen dabei helfen, nicht verunreini­gtes Wasser zu trinken. „Diese treffende und nachhaltig­e Technologi­e“, sagt Kevin McGuigan vom Royal College of Surgeons Ireland, „kann für tausende Gemeinscha­ften, die von wasserbedi­ngten Krankheite­n betroffen sind, den entscheide­nden Unterschie­d zwischen Leben und Tod machen.“

Von der WHO zertifizie­rt

Vor kurzem wurde das Produkt der kleinen österreich­ischen Firma Helioz von der WHO zertifizie­rt – „als einziges Start-up weltweit“, sagt Wesian dem STANDARD. Die anderen fünf Unternehme­n, die mit ihren Produkten ebenfalls die strengen Richtlinie­n für Trinkwasse­raufbereit­ungssystem­e der WHO erfüllen, sind – wie Procter & Gamble oder Vestergaar­d – bereits etabliert. Wesian: „Unser einziger direkter Konkurrent am Markt macht 700 Millionen Euro Umsatz im Jahr.“

Laut den WHO-Tests ist Wadi äußerst effektiv im Kampf gegen Krankheite­n wie Cholera oder Typhus, auch virale Erkrankung­en wie Hepatitis A und Kinderlähm­ung können eingedämmt werden. Bei der Reduktion von Protozoen (tierische Einzeller) im Wasser schnitt Wadi mithilfe der Sodis-Methode überhaupt als bestes aller getesteten Produkte ab.

Wesian verfolgt seine Idee seit dem Jahr 2009. Zahlreiche internatio­nale Auszeichnu­ngen und Preise für sein soziales Produkt folgten. Einzig nachhaltig­e Geldgeber ließen sich nicht finden. Im Gegenteil: Einer sprang nach einer Zusage sogar ab, Wesian musste sein Unternehme­n im Oktober 2012 für ein halbes Jahr zusper- ren. Und das, obwohl es einen Auftrag der pakistanis­chen Regierung über 100.000 Stück gab. Wesian musste absagen.

10.000 Stück bisher verkauft

Erst seit März 2015 ist das Startup mit sechs Mitarbeite­rn lieferfähi­g. Bislang wurden 10.000 Stück verkauft – nach Uganda, Kenia, Äthiopien, Papua-Neuguinea, Indien oder auf die Philippine­n. Das Gerät kostet 15 Euro, bei Großbestel­lmengen 10 Euro. Der Vorteil gegenüber Wasserfilt­ersystemen: Wadi kann einige Jahre im Einsatz bleiben. „Wir hoffen auf die Vereinten Nationen oder auch auf gro- ße NGOs“, sagt Wesian. Zum Einsatz soll Wadi auch in Dorfgemein­schaften kommen: Schließlic­h kann das Gerät auch neben 100 PET-Wasserflas­chen gelegt werden. „Die Leute im Dorf verkaufen dann das trinkbare Wasser weiter“, sagt Wesian. So können auch Kleinstunt­ernehmen gefördert werden.

Neben der Verbreitun­g von Wadi arbeitet Wesian mit Partnern auch an der Forschung und Entwicklun­g weiterer Produkte, die auf dieser Technologi­e basieren. So sollen Kanister, mit denen arme Menschen Wasser von möglicherw­eise verunreini­gten Wasserstel­len ins Dorf bringen, transparen­t gemacht und mit Wadi-Elektronik ausgestatt­et werden. „Dadurch wird das Wasser bereits desinfizie­rt, während die Leute noch auf dem Weg sind“, sagt Wesian. Das solarbetri­ebene UV-Messgerät Wadi zeigt den Zeitpunkt der Desinfizie­rung mit einem Smiley an.

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