Das Paradoxon des Nocturama
Untypisch, irreal und bizarr muten die Bildkompositionen des Olivo Barbieri an. In der Tradition, in Kenntnis und im Wissen der historischen Syntax der Emilia-Romagna präsentiert uns der aus Capri stammende Fotograf ein Italien, das so nicht existiert. So artifiziell der Titel der Serie Ersatz Lights klingt, so verstörend ist auch das Ergebnis. „Ich frage mich immer, wie viel Wahrheit in unserem System des Lebens existiert, durchdringend als technologische Prothese zur Verstärkung unserer Realität, ermöglichend eine Erfahrung simultaner Wahrnehmungen multipler Welten. Trotz der Hilfsmittel des Sehens versuche ich Hypertexte zurückzuverfolgen auf Worte und Passagen“, erklärt Barbieri philosophisch seine künstlerische Tätigkeit. Verfremdung der Realität aber ist – zweifelsfrei – das Ergebnis seiner Arbeiten. In Langzeitbelichtungen dokumentiert der 1954 Geborene während der Nacht das Treiben in pulsierenden Städten sowie an verlassenen Orten wie antiken Ruinen oder menschenleeren Industriearealen. Licht verschmutzt zunehmend die Reinheit der Nacht. Die Visualisierung und Verfremdung wirkt exotisch, bisweilen kitschig, aber auch faszinierend und höchst eigenwillig.
Olivo Barbieri, „Ersatz Lights. Case Study #1 East West“. € 59,– / 224 Seiten. Verlag Hatje Cantz, Berlin 2016