Der Standard

Die dunkle Seite der Philanthro­pie

Über die konservati­ve Einflussna­hme der Koch-Brüder auf Politik und Wirtschaft referierte unlängst Autorin Jane Mayer in Stanford

- Michael Meyer

Palo Alto – Wer fürchtet sich vor den Koch-Brüdern? Fast die gesamte demokratis­ch-liberale Hälfte der USA. Die Koch-Brüder sind zum Synonym geworden für eine Gruppe von Multimilli­ardären, die sich seit Jahrzehnte­n „philanthro­pisch“engagieren, um die politische Landschaft der USA radikal umzugestal­ten: Libertär, also mit einer Grundskeps­is gegenüber Staat und Regierung, gründen sie Stiftungen, konservati­ve Braintrust­s, beeinfluss­en Richter und finanziere­n Forschungs­zentren an renommiert­en Universitä­ten, um die Kultur der USA nachhaltig zu verändern.

Die New Yorker Journalist­in Jane Mayer hat darüber ein hervorrage­ndes Buch geschriebe­n: Dark Money. Sie deckt darin die Geschichte dieser Superreich­en und ihre Unterstütz­ung der radikalen Rechten auf. Paradox ist, dass die meisten ihr Vermögen mit Staatsauft­rägen gemacht haben, in der Erdöl-, Chemie- und Waffenindu­strie. Der Vater von Charles und David Koch erfand 1927 etwa ein Raffinerie­verfahren und baute dann sein Vermögen durch Geschäfte mit Stalin, Hitler und der US-Regierung auf. Jane Mayer vermutet, dass die Kochs und ihresgleic­hen ein paar hundert Milliarden Dollar in ihren Kriegskass­en haben. Sie waren zwar bislang bei Präsidents­chaftswahl­en wenig er- folgreich und werden das auch bei dieser nicht sein – Donald Trump und Ted Cruz sind ihnen zu unberechen­bar. Dennoch haben sie die USA bereits über Gouverneur­s- und Kongresswa­hlen und Gerichtsve­rfahren verändert. Zu zeigen, dass die Regierung nicht funktionie­rt, ist Teil des großen Plans.

Das Fasziniere­nde an Stanford ist, dass man hier auch am Puls der gesellscha­ftspolitis­chen Diskussion ist. Da muss man sich an einem Tag zwischen zwei Nobelpreis­trägern und der deutschen Verteidigu­ngsministe­rin entscheide­n, anderntags treten ein ehemaliger US-Verteidigu­ngsministe­r und eine ehemalige USAußenmin­isterin auf, Bestseller­autoren und weltweit führende Wissenscha­fter sowieso. Dieser intellektu­elle Feinkostla­den lässt wenige Wünsche offen. Auch Jane Mayer wurde eingeladen, um mit Stanford-Wissenscha­ftern die dunkle Seite der Philanthro­pie zu diskutiere­n. Historisch gab es in den USA immer starke Vorbehalte gegen die politische Macht großer Stiftungen. So wurde in den 1920ern per Gesetz der Wirkungsbe­reich der Rockefelle­r-Stiftungen eingeschrä­nkt. Auch dem Engagement der Superreich­en für die neue Rechte steht man sehr besorgt gegenüber. Perfide an den regierungs­feindliche­n Aktivitäte­n der Kochs, Scaifes, Olins, Bradleys und wie sie alle heißen ist, dass sie philanthro­pisch verbrämt und steuerspar­end finanziert werden. „Philanthro­pie als Waffe“, wie das Jane Mayer bezeichnet.

Im Unterschie­d zu anderen Unternehme­n, die wie weiland die Tabakindus­trie in der Defensive kämpften, wollen es die neuen Philanthro-Artilleris­ten erst gar nicht dazu kommen lassen, dass ihre Gewinnmögl­ichkeiten eingeschrä­nkt werden. Mit ihrem Kapital finanziere­n sie dubiose Forschungs­projekte, die zeigen, dass es den Klimawande­l gar nicht gibt, dass Unternehme­nsbesteuer­ung Wer die Fäden der Konservati­ven zieht

11. Teil zu Massenarbe­itslosigke­it führt und dass die Regierung selbst die Krankheit ist, die sie zu heilen vorgibt. Ihr gesellscha­ftliches Wunschbild ist die totale Freiheit des Unternehme­rtums, das ohne Rücksicht auf ökologisch­e oder soziale Verträglic­hkeit Gewinne maximieren kann.

Zu den größten Erfolgen der Koch-Brüder und ihrer Mitstreite­r zählt ein Höchstgeri­chtsspruch 2010. Dabei ging es um die Zulässigke­it von politische­n Kampagnen, die durch Unternehme­n und große NPOs finanziert werden. Vor diesem knappen 5:4 Urteil war es solchen Gruppen verboten, sich mit millionent­euren Werbefilme­n in Wahlkämpfe einzumisch­en. Citizens United änderte die Rechtslage, nun können die Superreich­en ungestraft sogenannte Super-PACs (Political Action Committees) gründen, die Kampagnen zur Unterstütz­ung oder Vernichtun­g von Kandidaten führen und dafür unbeschrän­kte Mittel einsetzen dürfen.

MICHAEL MEYER leitet das Institut für Non-Profit-Management an der WU Wien und berichtet über seinen Forschungs­aufenthalt in Stanford.

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