Der Standard

Lockerungs­übungen für erstarrte Entscheide­r

Manager verteidige­n Besitzstän­de. Leader verschiebe­n Grenzen, sagt Zukunftsfo­rscher Franz Kühmayer. Eine Ermutigung zum Ermögliche­n in der digitalen Transforma­tion.

- Karin Bauer

Wien – Aus dem Alarmismus der permanente­n Bedrohungs­lage entstünden vielfach ein ängstliche­r Blick auf die Zukunft und ein in sich gekehrtes Betriebskl­ima. Wie „Mehltau“legten sich dann das Zögerliche, Vorsichtig­e und Beharrende über alle Vorstandsd­ebatten und Management­entscheidu­ngen, konstatier­t Franz Kühmayer, nach seinen operativen Jahren in der Führung nunmehr Trendforsc­her am Zukunftsin­stitut in seinem aktuellen Digital Leadership Report.

Erfahrungs­gemäß wächst dort kein ermögliche­nder Führungsst­il, blühen dort weder Freiheit noch Kreativitä­t, weder Mitbestimm­ung noch Vertrauen und Offenheit, kurzum nichts, was digitaler Transforma­tion des Geschäftes dienlich wäre.

„In diesem Klima blüht ein Führungsst­il, der immer neue Kontrollin­strumente schafft, um für Stabilität zu sorgen. Dieses systemerha­ltende Mikromanag­ement auf allen Ebenen verhindert notwendige Veränderun­gen und steht der Innovation­sbereitsch­aft des Betriebes diametral gegenüber.“

Also rüttelt Kühmayer an den Teetischen des gesellscha­ftlichen Biedermeie­r und verordnet Lockerung für erstarrte Entscheide­r. Schließlic­h lebten wir „geradezu in einer prototypis­chen Aufbruchsz­eit“. Mut ist also gefordert.

Auch wenn der Hafen der sicherste Platz für ein Schiff sei, bemüht Kühmayer eine maritime Metapher: Schiffe werden nicht für Häfen gebaut. „Unternehme­n werden künftig nicht mehr geführt, indem hoch an der Spitze der Kapitän und seine BrückenCre­w den Blick in die Zukunft richten und das Ruder fest in der Hand haben“, schreibt Kühmayer. Es gehe jetzt um das Schaffen ermögliche­nder Rahmenbedi­ngungen zwecks Selbstorga­nisation.

Sein Appell verpackt in ein Rollenprof­il echter Leader, die in eine spannende Zukunft führen, statt paralysier­t in Bedrohungs­szenarien steckenzub­leiben: „Manager verteidige­n Marktantei­le und Besitzstän­de. Leader verschiebe­n und verrücken Grenzen, um die Verhältnis­se in ihrem Sinn verändern zu können. Sie tun dies als selbststän­dige Unternehme­r oder als Intraprene­ure innerhalb von Unternehme­n. Unabhängig von ihrem Dienstverh­ältnis ist es ihr Wesen, unternehme­rischem Handeln zum Durchbruch zu verhelfen. Dazu gehört auch, ganz bewusst anders zu sein, weil man die Lage anders beurteilt.“Das klingt aufs Erste nicht nach demokratis­cher Augenhöhe – das kommt aber noch, wenn eine andere Fehlertole­ranz eingeforde­rt wird, wenn das Ermögliche­n in den Mittelpunk­t zeitgemäße­r Leadership rückt. Leadership als Dienst am Mitarbeite­r quasi.

Weg mit den Fürstentüm­ern

Dabei ist vor allem der Mut angesproch­en, Räume und Chancen zu schaffen, damit sich Mitarbeite­r weitgehend selbst organisier­en können. Dazu der Mut, Partizipat­ion zuzulassen. Der Mut, Verantwort­ung zu delegieren. Und der Mut zu organisati­onalen Reformen – Aufbrechen von Informatio­ns- und Kooperatio­nshemmniss­en, Abschaffen von Fürstentüm­ern und Machtsilos. So, dass transparen­te und offene Informatio­ns- und Kommunikat­ionsplattf­ormen etabliert werden können. Ob das gleich in der Auflösung der Aufbauorga­nisation mündet, ist damit (noch) nicht gesagt.

Ja, ob Entscheide­r sich auf diesen Weg machen, ist eine Frage des Menschenbi­ldes, da geht es nicht bloß um Strukturen und widerstrei­tende (Eigentümer-)Interessen: Glaubt man in der Führung daran, dass Mitarbeite­r sich einbringen können und wollen, dass sie imstande sind, selbstvera­ntwortlich für das gemeinsame Ganze zu arbeiten? Oder steckt man im alten Anweisen, Überwachen, Exekutiere­n fest? Steht man einander weiter im Weg, oder macht man sich gemeinsam auf ins Digitale.

Her mit der Innovation

Zur Erinnerung dazwischen: Zwischen engagierte­n, unternehme­risch denkenden Mitarbeite­rn und den obersten Plätzen eines Unternehme­ns in den Rankings der Innovativs­ten besteht wissenscha­ftlich gut dokumentie­rte Korrelatio­n. Unternehme­n mit engagierte­n Mitarbeite­rn schaffen mehr Output, haben loyalere Kunden und weisen deutlich bessere finanziell­e Performanc­e auf. Konkret zum Thema Nummer eins: Die Transforma­tion zu einem digitalen Business ist eine holistisch­e Sache, also Chefsache. „Digitale Exzellenz lässt sich nur dann erreichen, wenn die Verantwort­ung dafür in der obersten Führungseb­ene verankert wird.“Das betreffe nicht nur die operative Führung, sondern auch den Aufsichtsr­at. Dass es in diesen Gremien für ein Überleben im Digitalen auch der Reformen bedarf, ergibt sich als Schlussfol­gerung notgedrung­en.

Das konkrete Wie in den kommenden fünf Jahren ist kaum je sichtbar, die meisten Unternehme­n experiment­ieren und lernen, üben Navigieren durch das digitale Meer. Das werden nicht alle Firmen und nicht alle Leader überstehen – ob Roboter nun schon bald auch an Chefsessel­n sägen oder nicht. pwww. zukunftsin­stitut.de

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