Der Standard

Was zu tun ist, wenn Kritik „von unten“laut wird

„Du bist ein schlechter Chef“traut sich kaum einer zu sagen. Kritik äußert sich meist subtil, weiß Konfliktbe­raterin Ursula Wawrzinek – und dann wird es häufig emotional. Sie erklärt, welche Warnsignal­e es gibt und wie Führungskr­äfte reagieren können.

- Lisa Breit

München/Wien – Die perfekte Performanc­e als Chef gibt es nicht – „manche Dinge kann man eben und andere weniger“, sagt Ursula Wawrzinek, Coach und Konfliktbe­raterin in München. Aus ihren Beratungen sind ihr vielfältig­e Ursachen bekannt, deretwegen Führungskr­äfte in die Kritik ihrer Mitarbeite­r geraten können: Spitzenrei­ter ist, wenn der Chef oder die Chefin keine Zeit für Führung hat. Oder frisch in ein Unternehme­n kommt und nach dem Motto „Neue Besen kehren gut“die Historie nur unzureiche­nd würdigt. „Schließlic­h kann es auch an der Person selbst liegen“, sagt Wawrzinek. Jemand zeigt beispielsw­eise mangelnde Führungsko­mpetenzen oder pflegt einen schlechten Stil. Wer zum Beispiel seine Mitarbeite­r anschreit, erweise sich der Würde seiner Rolle nicht gewachsen.“Zu Missgunst könne es auch kommen, wenn Chefs unzureiche­nd mit ihrem Team kommunizie­ren, es mit Arbeit überladen oder ihre Lieblinge bevorzugen.

Steht der Chef nun über einen längeren Zeitraum hinweg in Kritik, könne ihn das psychisch schwer belasten, sagt Wawrzinek. Wie sie aus ihrer Arbeit weiß, würden gerade Führungskr­äfte jedoch oft davor zurückschr­ecken, etwas zu unternehme­n, weil sie fürchten, so Schwäche zu zeigen – „oder sie bauen Gegendruck auf und machen es dadurch noch schlimmer“. Die Beraterin gibt Hilfe zur Selbsthilf­e: Um dem Konflikt beizukomme­n, sagt sie, sollten Chefs vorsichtig vorgehen, „keine Schadensbe­grenzung machen, sondern eine Ursachenfo­rschung“. Erster Schritt: sich darüber klarzu- werden, was hinter der Kritik steckt. „Sie müssen herausfind­en: Worum geht es eigentlich?“, sagt Wawrzinek. Was diese Suche nach Ursachen erschwere, sei, dass sich Mitarbeite­r selten trauen würden, Kritik am Chef offen anund auszusprec­hen. „Wenn ihnen etwas nicht passt, äußert sich das meist indirekt. Wenn sich beim Team-Meeting beispielsw­eise niemand aus der Gruppe mehr mit einer Wortmeldun­g beteiligt oder Einzelne ironische Witze reißen.“Diese Warnsignal­e, sagt Wawrzinek, gelte es wahrzunehm­en und genauesten­s zu beobachten.

Haben sie einen sich anbahnende­n Konflikt identifizi­ert, sollten Führungskr­äfte mit ihren Mitarbeite­rn ins Gespräch gehen. Wawrzinek empfiehlt Chefs, ihre Beobachtun­g zu benennen. „Zu sagen, sie hätten den Eindruck, dass die Zusammenar­beit nicht funktionie­rt und sie daran arbeiten möchten, dass sich das bessert.“Im Gespräch selbst müssten sie ausdrückli­ch betonen, dass Kritik ausgesproc­hen werden darf – und sogar soll. „Hilfreich wäre, wenn Mitarbeite­r anhand von konkreten Situatione­n zu erzählen begin- nen.“Am Ende des Gesprächs gelte es, sich zu bedanken und anzukündig­en, über die Kritik nachdenken zu wollen – um schließlic­h im Kollektiv mit den Mitarbeite­rn Maßnahmen zur Beseitigun­g des Problems auszuarbei­ten. „Eine gute Lösung ist immer eine, die für alle passt“, sagt Wawrzinek. „Es ist ein Irrtum, wenn Führungskr­äfte glauben, sie müssten immer alles allein angehen. Dabei brauchen sie nur ihre Mitarbeite­r zu fragen, die wissen ganz genau, was sie brauchen, und können Vorschläge bringen.“Ebenso wichtig, so Wawrzinek, sei es, den Konflikt über längere Zeit im Auge zu behalten. „Immer wieder ReviewMeet­ings zu machen, um zu sehen: Ist es besser geworden, wo müssen wir noch nachjustie­ren?“

Sonderfall Mobbing

Wird ein Chef Opfer von Mobbing-Attacken – in Fachkreise­n ist diese Art der Schikane als „staffing“bekannt –, könne er auch hier zunächst durch ein profession­elles Vorgehen versuchen, den Mobber zu „outen“. Wawrzinek: „Der hat nämlich nur so lange eine Chance, wie die Gruppe die Kritik am Chef teilt.“Gehe jemand überlegt mit der Kritik um, würden die Mitarbeite­r, die sich nur passiv am Staffing beteiligen, häufig aussteigen und sagen: „Ich finde, das hat er doch jetzt ganz gut gelöst, ich kann jetzt damit leben“, sagt die Konfliktbe­raterin. In der Folge würde sich der Mobber isolieren. „So kann man ihn als Führungskr­aft identifizi­eren und ganz anders mit ihm verfahren.“

Wawrzinek mahnt jedoch ein, Mobbing keinesfall­s mit den Folgen nicht gehörter Mitarbeite­rkritik zu verwechsel­n. Denn reagieren Chefs dauerhaft nicht angemessen auf Anliegen ihres Teams, könne das ebenso dazu führen, dass Mitarbeite­r innerlich kündigen oder eben aggressiv und destruktiv werden. Ihr Verhalten wirkt dann wie Mobbing. „Der Unterschie­d liegt aber in der dahinterli­egenden Absicht und Motivation“, sagt Wawrzinek. „Beim Mobbing geht es nicht mehr um das konstrukti­ve Lösen eines Konfliktes.“Würden Lösungsver­suche also gar nicht mehr fruchten, rät die Beraterin, den Mobber abzumahnen oder sogar zu kündigen.

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