Es ist Zeit für reife Führung
Innovation von Führung? Bei sich selbst anfangen, aus dem Kontext gehen und Disziplinen reifer Führung üben. Das nützt dem Potenzial von Mensch und Organisation.
IGASTKOMMENTAR: mmer deutlicher zeigt sich, wie Unternehmen und Führungskulturen mit tradierten Zugangsweisen und Handlungsmustern an ihre Grenzen stoßen. Vielfach auch ungewollt produzieren sie Trennungen, teure Folgewirkungen und müssen erkennen, dass gewohnte Problemlösungsmodelle nicht mehr greifen. Die Augen vor dieser hinreichend bekannten Logik weiterhin zu verschließen heißt, die sich verschärfenden Kollateralschäden bewusst in Kauf zu nehmen.
Spätestens jetzt drängt es sich auf, sich mit den Chancen der Innovation von Führung zu beschäftigen. Führung, die andere, lebensdienlichere Wirkungen erzeugt, eben reife Führung. Die aktuelle Hirnforschung gibt uns Hinweise, dass unsere gehirnmäßige Ausstattung an sich dafür vorhanden wäre. Was es für diese Art von Lernen braucht, ist der Spur der Begeisterung, der Inspiration zu folgen. Diese Art von Lernen ist auf eine Art Bewusstseinssprung ausgerichtet, einen Quantensprung in der Führung. Der Prozess führt uns – individuell und kollektiv – zunächst tief in unsichere, ungewohnte, teilweise unangenehme Situationen hinein. Er fordert uns auf, aus reaktiven Mustern im Sinne alter Handlungs- und Denkmodelle auszusteigen und lädt uns ein, einen Zugang zu dem zu bekommen, was neu entstehen will, was wirklich Sinn macht und auch was das größere Ganze nun als Nächstes braucht. Dieser Weg in eine reife Führungshaltung erfordert Übung, braucht Ausdauer und speist sich durch Inspiration – alltägliche Inspiration.
Eine massive Grenze in der Entwicklung von Organisationen liegt in der Begrenztheit des Bewusstseins, in der Unfähigkeit, das Potenzial von Menschen und Organisationen angemessen zu heben, mehr an kollektiver Intelligenz zu ermöglichen und diese im Alltag zu verankern. Viele schreien nach Innovation, nur wenige sind in der Lage, dies zu tun. Innovation entsteht dort, wo es Räume, Kulturen gibt, die dies fördern und zulassen, Räume, die Sinn stiften und von Vertrauen getragen sind.
Jede Kultur kann Kräfte mobilisieren, die nach oben oder nach unten ziehen. Ein Geheimnis von sinnstiftenden Organisationen ist, dass diese Menschen als Gruppe unterstützen, über sich selbst hinauszuwachsen, Dinge zu schaffen, die einer allein nicht schaffen kann.
Der radikale Ausgangspunkt des Reifungsprozesses zu einer neuen Führungshaltung sind Führende selbst, wo immer sie geradestehen. Die gesamte Organisation, das gesamte Umfeld wird diesen Transformationsprozess bemerken und dafür dankbar sein.
Im Kern dieser bewussten Innovation stehen drei zentrale Aspekte:
Die Ängste des Ego vor Kontrollund Statusverlust besänftigen und integrieren lernen
Das Vertrauen in die tiefere Intelligenz des (eigenen) Lebens zu kultivieren und
n entschiedener Dankbarkeit aus diesen Inspirationsquellen heraus handeln
Die Reifung von Führung lässt sich durch inspirierende Übungspraxis unterstützen: Das Denken öffnen Um den Weg für neue Optionen und Zukunftsbilder wirklich frei zu machen, geht es darum, sich
QQQQden Blockaden und Hindernissen im eigenen Denken neugierig zu stellen. Dauerhafte Öffnung und Lösung geschieht durch konsequente Analyse des eigenen „mindset“, durch das Verflüssigen von tradierten Glaubenssätzen, über inspirierende Lernexpeditionen in ungewohnte Felder und andere Umgebungen, durch die Praxis des Visualisierens von aktivierenden Zukunftsbildern. Echte Kraftquellen anzapfen Wie können wir immer wieder unsere eigenen tieferen Kraftquellen (ebenso jene der Organisation), eine tiefere innere Weisheit, anzapfen? Diese Schlüsselkompetenz versorgt uns nicht nur mit Lebenskraft, sondern auch mit genuiner Kreativität. Diese Kraftquellen bewirken weit mehr als es Status, Geld und Abarbeiten von To-do-Listen vermögen. Führungskräfte und Unternehmen docken an diese häufig verschütteten tieferen Quellen viel zu wenig an. Diese Zugänge lassen sich üben, etwa durch verschiedene Formen von Achtsamkeits- und Meditationspraktiken, also durch bewusste Ruhe und Stille. Sie erschließen sich über verschiedenste Rituale, durch persönlich bedeutsamen Geschichten und Erfahrungen, in längeren Aufenthalten allein und ohne Ablenkung in der ‚wilden‘ Natur und nicht zuletzt aus echten Begegnungen mit anderen.
Von vordergründigem Aktionismus zu tieferem Wollen
Die Qualität von Entscheidung lässt sich am Ursprung ihres Entstehens messen: reif und mutig aus der Mitte des erfahrenen Lebens oder reaktiv als hastiger Impuls auf die scheinbaren Notwendigkeiten des situativen Alltags. Wie kann es gelingen, ein tieferes, reifes Wollen zu aktivieren und dieses zu fokussieren? Hilfreiche Schritte dabei sind Kontemplation, verschiedene Formen von Auszeiten, ausgewählte Energieund Atemübungen sowie das Schaffen sozialer Räume, in denen tiefes Zuhören und Sein geschehen können. Die Hinwendung zu gemeinschaftlichen, ‚unspektakulären‘ Aufgaben kann ungeahnte Dimensionen eröffnen. Für Führungskräfte kann dies bedeuten, sich einmal ganz ohne
QQHast mit den ganz ‚banalen‘ Tätigkeiten im Unternehmen vertraut zu machen.
Aufbau und Pflege von tragenden Beziehungen
Die Kultivierung von Wertschätzung und Dankbarkeit sind zentrale Aspekte ‚reifer Führung‘. Beziehungen dürfen nicht zu einem materialistischen Nutzenkalkül verkommen, und Wertschätzung ist weit mehr als eine freundliche Anmerkung im Feedbackgespräch. Stichworte sind Geben, Be- und Verurteilungen überwinden, die Schaffung eines aktivierenden sozialen Feldes. Nur Führung, die sich selbst (unter Macht-Gesichtspunkten) kleiner macht, kann tragfähige Verbindungen aufbauen, die auch in der Krise halten. Diese Disziplin des ‚Bauens‘ von tragenden Verbindungen ist im Kern getragen durch ‚bedingungsloses‘ Wohlwollen und mutige Klarheit. Es weht im Miteinander ständig der Wind des Einladens, Ermutigens und Inspirierens.
Mit langem Atem den Schwung der Freude halten
Es gilt, reife Führung nicht nur
QQeinmal zu erkennen, sondern dauerhaft zu üben und zu kultivieren. Dann zeigt sich in der Komposition dieser Qualitäten eine maßgebliche Veränderung, die Einladung zum Quantensprung in der Führung.
Es gibt gezielte Übungsprogramme und einzelne ‚Tools‘, wie z. B. Peer-Feedback, periodische Impulse von außen und regelmäßige Auszeiten, die helfen, auf diesem Pfad zu bleiben. Die kontinuierliche Übungspraxis muss auch außerhalb des Führungsalltags und außerhalb der gewohnten Funktionslogik von Management stattfinden, um wirksam zu bleiben: Erfahrungen, die unter die Haut gehen, Erschütterungen und Grenzerfahrungen in ganz anderen Kontexten (z. B. allein in der Natur, Arbeiten in einer sozialen Organisation) sind zentrale Elemente dieser laufenden Praxis.
TONI KOFLER und WALTER BERTOLINI sind Organisationsberater und Coaches. Sie haben „Essenz der Führung“entwickelt. pwww. essenzderfuehrung.at
Jede Kultur kann Kräfte mobilisieren, die nach oben oder nach unten ziehen. Viele schreien nach
Innovation.