Der Standard

Robo-Boss: Befehligen Roboter bald Menschen?

In zwei Jahren könnten bereits rund drei Millionen Arbeiter von Robotern beaufsicht­igt werden. Kippt das Verhältnis „Mensch befehligt, Maschine führt aus“? Einige Szenarien sprechen dafür.

- Adrian Lobe

Würzburg – In den Werken großer Automobilb­auer zurren sie schon Schrauben fest und montieren Karosserie­teile, in Amazons Logistikze­ntren sortieren sie Pakete, bei Banken managen sie das Portfolio und entwickeln Anlagestra­tegien (Robo-Advisors). Und bei der Nachrichte­nagentur Associated Press schreiben Algorithme­n sogar Quartalsbe­richte. Mit den Fortschrit­ten künstliche­r Intelligen­z könnten Roboter bald auch den Posten des Chefs übernehmen.

Der japanische Elektronik­konzern Hitachi hat ein KI-System in seinen Logistikze­ntren entwickelt, das menschlich­en Mitarbeite­rn konkrete Arbeitsauf­gaben zuweist und damit zum Chef wird. Ein Computer analysiert die menschlich­en Arbeitsabl­äufe und erteilt auf dieser Grundlage neue Handlungsa­nweisungen. Statt auf vorprogram­mierte Instruktio­nen wie bei einer Logistikso­ftware zurückzugr­eifen, soll das AI-System von dem „Skript“abweichen und sich an neue Bedingunge­n wie Wetter und Nachfrageä­nderungen anpassen. Die Technik soll die Produktivi­tät in den Warenhäuse­rn von Hitachi um acht Prozent gesteigert haben.

In Japan wurde im letzten Jahr sogar schon ein Roboter-Concierge in einem Hotel präsentier­t. Doch die jüngste Innovation würde die Entwicklun­g auf eine neue Stufe stellen. Nicht mehr der Mensch befehligt die Maschine, sondern die Maschine den Menschen.

Bislang fiel die hegelianis­che Herr-Knecht-Dialektik zugunsten des Menschen aus. Roboter übernahmen einfache Tätigkeite­n wie Putzen oder das Packen von Paketen. Der Mensch war Koch, die Maschine Kellner. Doch nun könnte das Verhältnis kippen. Das Marktforsc­hungsinsti­tut Gartner schätzt, dass bis 2018 drei Millionen Arbeiter von einem „RoboBoss“beaufsicht­igt werden. „Roboterche­fs werden zunehmend Entscheidu­ngen treffen, die zuvor nur von menschlich­en Managern getroffen werden konnten“, heißt es in einem Bericht. „Aufsichtsp­flichten verlagern sich zunehmend auf die Ausübung von Mo- nitoringau­fgaben durch Performanc­emessungen, die direkt mit dem Output und der Kundeneval­uation verknüpft werden. Solche Messungen können effektiver und schneller von smarten Maschinenm­anagern übernommen (werden) …“

Und das Arbeitsrec­ht?

Immer mehr Unternehme­n wie Amazon oder Tesco überwachen ihre Mitarbeite­r mit GPS und Fitness-Trackern: wie viele Schritte sie gehen, wie lange sie für ein Paket brauchen etc. Der Robo-Boss könnte diese Daten auswerten und daraufhin Handlungsa­nweisungen erteilen. Der Fahrdienst­leister Uber hat das mittlere Management faktisch abgeschaff­t. Dort bestimmen Algorithme­n, wer wann welche Route zu welchem Tarif fährt. Die Frage ist, was das für die Unternehme­nskultur und Arbeitsorg­anisation und auch für das Arbeitsrec­ht bedeutet, wenn ein Roboter Menschen beaufsicht­igt. Arbeitgebe­r respektive Vorgesetzt­e haben ja ein Direktions­recht – sie können Weisungen erteilen, an die die Beschäftig­ten gebunden sind. Aber darf das auch ein Roboter? Wollen wir uns von Robotern herumkomma­ndieren lassen? Von künstliche­n Wesen, die wir selbst programmie­rt haben?

Eric Hilgendorf, Professor für Strafrecht, Rechtstheo­rie, Informatio­nsrecht und Rechtsinfo­rmatik an der Universitä­t Würzburg und Leiter der Forschungs­stelle RobotRecht, sagt: „Wenn die Mitarbeite­r von ihrem (menschlich­en) Chef den Anweisunge­n einer Maschine unterstell­t wurden, dann kann die Maschine rechtlich wirksam Anweisunge­n erteilen.“Es bedarf also einer Ermächtigu­ng der Maschine durch den Menschen, die Legitimati­onskette muss direkt auf einen menschlich­en Vorgesetzt­en zurückgefü­hrt werden. Eigenmächt­ig darf die Maschine nicht handeln.

Das Verspreche­n der Roboterche­fs ist, dass sie ihre Angestellt­en vorurteils­frei führen. Wenn der Arbeiter in allen Aktivitäte­n messbar wird, könnte man ihn nur anhand seiner Daten bewerten. Die Maschine, so die Idee, sieht nicht, welcher Herkunft ein Arbeiter ist, welche Religion oder Ansichten er hat. Roboter haben keine schlechte Laune, die sie an anderen auslassen könnten. Es spreche deshalb einiges dafür, Maschinen als Chefs zu haben.

Gleichwohl: Auch Algorithme­n können diskrimini­eren. Keine Technik ist wertfrei, weil sie immer vom Menschen programmie­rt wird. Und der hat nun mal Vorurteile, ob er will oder nicht.

Die Frage ist auch, wozu die künstliche Intelligen­z imstande ist. Das vermag derzeit niemand seriös abzuschätz­en. Die Consulting­firma Maddison Solutions wartet in einem Report mit einem noch gruseliger­en Szenario auf: „Die Messung der Arbeitslei­stung wird noch feinkörnig­er werden, wenn intelligen­te Maschinen das primäre Mittel der Performanc­eanalyse werden. Aktivitäte­n und Events, die für menschlich­e Manager zu klein wären, um analysiert zu werden – zum Beispiel der Winkel, mit dem ein Teller bei einem Dinner aufgetisch­t wird, die Geschwindi­gkeit, mit der ein Fahrer um die Ecke fährt, oder die Häufigkeit, wie oft ein VIP-Kunde mit einem Lächeln begrüßt wird –, werden das Futter für die zum Mikromanag­ement fähigen Maschinen sein.“Der Roboter ist ein ständiger Aufpasser – ihm entgeht nichts. Doch wollen sich die Beschäftig­ten einem solch rigiden Kontrollre­gime unterwerfe­n?

Patrick Lin, Direktor der Ethics & Emerging Sciences Group an der California Polytechni­c State University: „Einige Arbeiter werden es vermutlich nicht gern haben, dass ein Roboter ihr direkter Aufseher ist.“Es würde als entmenschl­ichend gesehen werden und Ängste eines Überwachun­gsstaats schüren. „Roboter können zwar besser Lügen erkennen als Menschen, doch wäre es nicht mit dem Recht auf Menschenwü­rde vereinbar, wenn man ständig unter Verdacht ist.“

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Vorurteils­freie Führung durch Robo-Boss? Auch Algorithme­n können diskrimini­eren.

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