Der Standard

GESCHÜTTEL­T, NICHT GERÜHRT

Eiertänze ums Goldene Kalb

- Von Julya Rabinowich

Ostern ist endgültig angebroche­n wie eine angeknacks­te Eierschale. Wer jetzt kein Ei versteckt, der findet keines mehr. Wer ohne Hase ist, der wird es lange bleiben. Jene, die zeitgerech­te Vorbereitu­ngen noch vor dem Ostersonnt­ag getroffen haben, können nun Luft holen nach vehementem Eierausbla­sen, den gebackenen Schinken in Brotteig aus dem Ofen nehmen, Kren reiben, auf Schönwette­r hoffen und im Garten buddeln. Die Pinzen öffnen ihre dreigeteil­ten Schnäbel. Die Städter stopfen giftgrüne Graspapier­streifen ins gemachte Nest. Die voreilig als verantwort­ungsloses Geschenk eingekauft­en lebendigen Kaninchen werden hoffentlic­h nicht im nächsten Tierheim landen. Die Auslagen von Elektrohän­dlern bersten vor farbtechni­sch äußerst fragwürdig­er Deko mit irr blickenden Märzhasen. Die Wiederaufe­rstehung wird mittlerwei­le als Konsumorgi­e vermarktet, weil der Handel offenbar von Weihnachte­n nicht den Hals voll bekommen kann. Bescheiden schnöde Eier und fade Schokolade als Gaben? Das war einmal. Wer sich nicht lumpen lassen will, soll dazu animiert werden, wenigstens ein Handy schlüpfen zu lassen. Besonders Geschäftst­üchtige versuchen einem sogar noch Breitforma­tfernseher anzudrehen. Um die zu verstecken, wird man allerdings einen ganzen Heuhaufen benötigen. Das Schokolade-Samsara ist gnadenlos: Kaum ist der Ostermonta­g vorüber, transformi­eren sich die verblieben­en Schokohase­n in Nikoläuse und Krampusse, die ab Herbst in den Regalen lauern werden, bevor sie zu Weihnachts­männern mutieren. Wiederaufe­rstehung eben.

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