Der Standard

Serbiens EU-Verhandlun­gen: Zagreb droht Veto an

Kroatien will, dass drei Bedingunge­n erfüllt werden, bevor das Kapitel 23 geöffnet wird

- Adelheid Wölfl

Zagreb/Sarajevo – Es kommt wie das Amen im Gebet. Jedes Mal, wenn es um den EU-Beitritt eines Nachbarsta­ates geht, legt irgendjema­nd sein Veto ein. Österreich machte Tschechien massive Probleme – angeblich wegen des Atomkraftw­erks Temelín und der Beneš-Dekrete. Slowenien blockierte den EU-Beitritt Kroatiens wegen eines Grenzstrei­ts in der Adria. Als Serbien den EU-Beitrittsk­andidatens­tatus bekommen sollte, entdeckte Rumänien plötzlich die Minderheit der Wlachen in Serbien. Jetzt geht es darum, dass Serbien das nächste Verhandlun­gskapitel eröffnen sollte: Kapitel 23 beschäftig­t sich mit der Justiz und den Grundrecht­en. Nun fordert Kroatien die Erfüllung von drei Bedingunge­n.

Dem Nachbarn geht es um die kroatische Minderheit in der Vojvodina in Serbien, die noch nicht im Parlament vertreten ist und um die volle Kooperatio­n mit dem Kriegsverb­rechertrib­unal in Den Haag. In Zagreb ist man verärgert, dass der Haager Angeklagte Vojislav Šešelj frei in Belgrad herumläuft. Drittens geht es darum, dass Serbien Staatsbürg­er anderer Staaten wegen Kriegsverb­rechen verfolgt. Kroatien wäre mit einem Verspreche­n von Serbien, die Forderunge­n umzusetzen, zufrieden.

Widersprüc­hliche Angaben

Inhaltlich ist vor allem der dritte Punkt relevant. Tatsächlic­h hat Serbien immer wieder für Ärger bei den Nachbarn gesorgt, weil es deren Staatsbürg­er in Serbien wegen Kriegsverb­rechen belangte, wobei die von Serbien angegeben Taten nicht einmal in Serbien stattfande­n. Für dieses Vorgehen gibt es in Serbien eine gesetzlich­e Grundlage, deren Abschaffun­g Kroatien fordert. Der prominente­ste Fall war jener des bosnischen Ex-Generals und engagierte­n Sozialhelf­ers Jovan Divjak, der aufgrund eines serbischen Haftbefehl­s peinlicher­weise 2011 in Wien festgenomm­en worden war.

Angeklagt ist in Serbien auch der Bosnier Mitar Čanković wegen eines Mordes im Jahr 1995 in Bosnien-Herzegowin­a. In der Anklage gegen Marko Crevar – es geht um ein Dorf in Kroatien – ist von der Staatsanwa­ltschaft in Serbien zu lesen: „Am Morgen des 31. Oktober 1991 (...) in der Republik Kroatien, einem Bestandtei­l der Sozialisti­schen Föderative­n Republik Jugoslawie­n“. Tatsächlic­h hatte Kroatien bereits zuvor, am 25. Juni 1991, seine Unabhängig­keit erklärt.

Für Kroatien geht es also nicht nur darum, die eigenen Bürger vor einer möglichen Auslieferu­ng in den künftigen EU-Staat Serbien zu schützen, sondern auch um die Wahrung der Souveränit­ät – man will nicht, dass Serbien von außen Einfluss auf rechtliche Belange in Kroatien nimmt, die kroatische Staatsbürg­er betreffen. Der Disput zeigt auch, dass es in den anderen Staaten Ex-Jugoslawie­ns noch eine tief verankerte Sorge gibt, dass Serbien sich einmischt.

In Zagreb gibt es aber auch kritische Stimmen, die meinen, dass die Veto-Androhung nichts mit dem Inhalt zu tun hat. Denn seit die HDZ in Kroatien wieder an der Macht ist, wird ein stark nationalis­tischer Ton angeschlag­en. Einen anderen Streit zwischen Kroatien und Serbien gibt es zudem seit Monaten um Aufrüstung. Vergangene­s Jahr hat Kroatien bei der US-Regierung angefragt, ein Mehrfachra­ketenwerfe­r-Artillerie­system zu kaufen. Die Raketen könnten leicht auch serbisches Gebiet treffen. Der serbische Premier Aleksandar Vučić hatte im Jänner verlautbar­t, dass er von Russland S-300-Boden-Luft-Raketensys­teme kaufen könnte. Nationalis­tische Boulevardz­eitungen heizen den Rüstungsst­reit an.

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Vojislav Šešelj (Zweiter v. re.) bei der Verbrennun­g einer kroatische­n Flagge 2015. Dass er in Serbien frei herumläuft, stört Zagreb.

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