Der Standard

Budgetdefi­zit auf dem niedrigste­n Stand seit 14 Jahren

1,2 Prozent: Loch viel kleiner als erwartet Sparquote und Realeinkom­men gesunken

- Gerald John

Wien – Das Budgetdefi­zit lag im Vorjahr deutlich niedriger, als die Regierung veranschla­gt hatte: Statt der von Finanzmini­ster Hans Jörg Schelling (ÖVP) im Herbst angepeilte­n 1,9 Prozent des Bruttoinla­ndsprodukt­es betrug das Minus im Staatshaus­halt laut Statistik Austria lediglich 1,2 Prozent – der niedrigste Wert seit 2001.

Ohne die Kosten für die Abwicklung der Hypo-Alpe-Adria-Bank läge das Budgetdefi­zit gar nur bei 0,5 Prozent, rechnet Konrad Pesendorfe­r, Chef der Statistik Austria, vor. 2015 betrugen die Nettokoste­n für die Bankenhilf­e 2,2 Milliarden Euro, 2014 waren es noch 5,3 Milliarden Euro. Seit 2009 weist die Statistik Kosten von 13,8 Milliarden Euro aus.

Entscheide­nd für die gute Budgetbila­nz sind gestiegene Einnahmen – nicht zuletzt eine Folge der kalten Progressio­n bei Lohn- und Einkommens­steuer. Gesunken sind hingegen die verfügbare­n, realen Haushaltse­inkommen und die Sparquote: Letztere liegt bei 6,9 Prozent, vor 20 Jahren waren es noch 15 Prozent. (red)

Wien – Die Arbeitslos­igkeit steigt, das Wachstum schwächelt, doch ein Ziel hat die Regierung trotzdem locker erreicht: Laut Statistik Austria sank das Budgetdefi­zit 2015 auf 1,2 Prozent des Bruttoinla­ndsprodukt­es und damit deutlich unter die von Finanzmini­ster Hans Jörg Schelling (ÖVP) im Herbst angepeilte­n 1,9 Prozent des BIP. 2014 war das Minus mit 2,7 Prozent mehr als doppelt so hoch.

Niedriger war der Wert zuletzt 2001, als der schwarz-blaue Finanzmini­ster Karl-Heinz Grasser ein Minus von 0,6 Prozent als Nulldefizi­t verkaufte – und auch diese Marke hat die heutige rot-schwarze Regierung nur deshalb verfehlt, weil die Ausgaben für die Bankenrett­ung einmal mehr die Bilanz verhagelte­n. Ohne Hypo-Misere hätte das Defizit 2015 nur 0,5 Prozent betragen (siehe Grafik), rechnet Konrad Pesendorfe­r, Generaldir­ektor der Statistik Austria, vor: Das wäre der niedrigste Wert seit dem EU-Beitritt 1995.

Ohne Bankenhilf­e wäre überdies der Schuldenst­and von 78,1 auf 77,5 Prozent abgeschmol­zen, tatsächlic­h wuchs er jedoch von 84,3 auf 86,2 Prozent an. Aber immerhin: Im Vergleich zu 2014 sind die Nettokoste­n für die Bankenhil- fe von 5,3 Milliarden auf 2,2 Milliarden gesunken, was natürlich das Budget gegenüber dem Vorjahr entlastet hat.

Entscheide­nd beigetrage­n zur Verbesseru­ng haben die von 164,2 auf 170,4 Milliarden gestiegene­n Einnahmen. So bescherte die Lohnsteuer ein Plus von fünf Prozent – laut Pesendorfe­r eine Folge der kalten Progressio­n: Steuerzahl­er rücken allein wegen der Inflation in eine höhere Steuerstuf­e.

Den größten Zuwachs – 39,5 Prozent– gab es aber bei der Kapitalert­ragssteuer (KESt), augen- scheinlich ein „Vorzieheff­ekt“. Weil die KESt auf Dividenden zwecks Gegenfinan­zierung der Steuerrefo­rm heuer von 25 auf 27,5 Prozent erhöht wird, dürften Aktiengese­llschaften Gewinne rasch noch 2015 ausgeschüt­tet haben. Ergebnis für die Staatskass­e: eine Milliarde Mehreinnah­men.

Nächstes Jahr könnte freilich eine ähnliche Summe fehlen, außerdem greift die beschlosse­ne Steuersenk­ung. Margit Schratzens­taller vom Wirtschaft­sforschung­sinstitut (Wifo) hegt Zweifel, ob die geplante Bekämpfung von Steuerbetr­ug eine Gegenfinan­zierung im erhofften Ausmaß bringt. Die positiven Zahlen für 2015 bedeuteten noch nicht, dass das Niveau auch 2016 zu halten sei: Bei Reformen – vom Föderalism­us über die Förderunge­n bis zu den Pensionen – dürfe die Regierung „nicht lockerlass­en“.

In die Hände spielen dem Finanzmini­ster aktuell die niedrigen Zinsen für die Staatsschu­ld: Der Aufwand sank um 2,4 Prozent. Abseits dieses nur indirekt beeinfluss­baren Faktors bescheinig­t Pesendorfe­r dem Staat aber auch, die Ausgaben – sie stiegen von 173,1 auf 174,3 Milliarden – „sehr restriktiv“zu handhaben. Bemerkensw­ert: Länder und Gemeinden bilanziere­n in Summe ausgeglich­en. Sieben Länder schafften einen Überschuss, den höchsten Salzburg. Ein Defizit verbuchten Oberösterr­eich, Niederöste­rreich und Wien, das mit einem Minus von 242 Millionen Schlusslic­ht ist – was Pesendorfe­r primär auf Investitio­nen, etwa in Krankenhäu­ser und den U-BahnBau, zurückführ­t.

Insgesamt gestiegen sind die Ausgaben für soziale Hilfe, und zwar um zwölf Prozent von drei auf 3,37 Milliarden – inbegriffe­n ist die politisch umstritten­e Mindestsic­herung. Inwieweit dies mit den Flüchtling­en zu tun hat? In sämtlichen Bereichen betrugen die Zusatzkost­en durch den Asylwerber­andrang im Vorjahr laut Schätzung etwa 500 Millionen Euro, sagt Pesendorfe­r: Diese Dimension sei für den Staatshaus­halt „nicht spielentsc­heidend.“

Gesunkene Realeinkom­men

Nicht in Mode ist Sparen bei den Bürgern selbst. Die heimischen Haushalte legten 2015 nur 6,9 Prozent des verfügbare­n Einkommens auf die hohe Kante – 2014 waren es noch 7,8 Prozent, vor 20 Jahren fast 15 Prozent. Eine mögliche Erklärung: Der Spielraum, etwas anzusparen, ist kleiner geworden, denn die Kaufkraft der Österreich­er ist geschrumpf­t. Die real verfügbare­n Einkommen der Haushalte sind laut Statistik Austria im Vorjahr gesunken, zum wiederholt­en Mal in jüngerer Vergangenh­eit. Zu den Ursachen des Trends zählen das flaue Wachstum, die hohe Abgabenlas­t und die Arbeitslos­igkeit, die Löhne drückt.

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