Der Standard

Spanien: Pokern um Regierung

Neuwahlen im Juni werden immer wahrschein­licher

- Reiner Wandler aus Madrid

Nur nicht das Gesicht verlieren, heißt das Ziel der spanischen Parteien in der Debatte um die Regierungs­bildung. Gelingt diese bis Anfang Mai nicht, wird am 26. Juni neu gewählt. Daran will niemand schuld sein. Der Sozialist Pedro Sánchez, der vom König mit der Regierungs­bildung beauftragt wurde, nachdem der amtierende Mariano Rajoy keine Mehrheit bekommen hatte, läuft aber Gefahr, sich im Taktikgefl­echt zu verstricke­n.

Im spanischen Parlament sitzen seit 20. Dezember erstmals vier große Parteien – der amtierende Partido Popular (PP), Sánchez’ PSOE, die Antiauster­itätsparte­i Podemos und die rechtslibe­ralen Ciudadanos (C’s).

„Spanien braucht eine fortschrit­tliche Regierung“, mahnt Podemos-Chef Pablo Iglesias. PSOE, Podemos und zwei kleinere linke Kräfte würden 161 Abgeordnet­e summieren. Bei Enthaltung der baskischen und katalanisc­hen Nationalis­ten könnte dies im zweiten Wahlgang reichen.

Iglesias fordert eine „proportion­ale Koalitions­regierung“, in der das Amt des Vizeregier­ungschefs und fast die Hälfte der Minister an Podemos gehen. Doch Sánchez will und kann nicht. In seinem PSOE ist ein Bündnis mit Podemos mehr als umstritten. Er paktierte stattdesse­n mit C’s. Die beiden Parteien haben gemeinsam 130 Abgeordnet­e. Für eine Mehrheit sind 176 nötig. Anfang des Monats fiel diese Option erwartungs­gemäß im Parlament durch.

Taktischer Rückzug

Sánchez versucht, Iglesias für sein Scheitern verantwort­lich zu machen. Am Mittwoch trat nun Iglesias nach einem Zweiertref­fen vor die Presse und erklärte überrasche­nd: „Wenn meine Regierungs­beteiligun­g das Problem ist, werde ich nicht an der Regierung teilnehmen.“Es gäbe genug andere qualifizie­rte Politiker in Podemos. Was zähle, sei, Rajoy und dessen Politik aus der Regierung zu verbannen. Sánchez hält an seiner Strategie der „lagerüberg­reifenden Regierung“fest und sitzt nun in einer Zwickmühle. Nach den Erklärunge­n von Iglesias warnen C’s: „Lieber Neuwahlen als eine Regierung mit Podemos!“

Noch bleibt ein Monat, der für Sánchez lange werden dürfte. Gewinner im Falle von Neuwahlen könnten C’s und Podemos sein, die am rechten und linken Rand weitere Wähler abwerben dürften.

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