Der Standard

Gefahr für den Stolz von Vancouver

Der Stanley Park wird immer mehr zum Umschlagpl­atz für Drogensüch­tige

- Bernadette Calonego aus Vancouver

Der Stanley Park ist der Stolz der Bewohner von Vancouver. Er ist nicht nur größer als etwa der Central Park in New York, die VierQuadra­tkilometer-Oase am Pazifik ist auch viel natürliche­r – quasi ein Stück Urwald mit wilden Tieren: Waschbären, Stinktiere­n, Adlern, Bibern, Eichhörnch­en, Koyoten, Ottern und vielen Vogelarten. Diese Miniaturwi­ldnis ist nun auf dem Weg, eine Müllhalde für Drogenspri­tzen zu werden. Der Musiker Jonathan Weissman aus Vancouver schlägt Alarm. „Das Problem wird schlimmer und schlimmer“, sagt er.

Auf seinen häufigen Spaziergän­gen durch den Wald hat er schon viele Anhäufunge­n von Injektions­spritzen gesehen. Drogensüch­tige und Obdachlose benutzen den Stanley Park als Notschlafs­telle und Handelspla­tz. „Es gibt Müllhaufen hinter fast jedem Baum“, sagt Weissman. „Wir finden auch Dutzende von verbotenen Zelten.“Dazu alte Schlafsäck­e, Verpackung­en, Glasflasch­en und Aludosen.

„Beängstige­nde Aufgabe“

Er und seine Freundin lasen auch schon Drogenspri­tzen in der Nähe von spielenden Kindern und herumlaufe­nden Hunden auf. Das Paar hat bislang über hundert Müllsäcke mit Abfall aus dem Park gebracht. „Es ist eine beängstige­nde Aufgabe“, sagt Weissman.

Der Mittdreißi­ger versteht, dass die Polizei, die ab und zu auf Pferden das Gelände durchkämmt, nicht den ganzen Park bewachen kann. Aber er kritisiert die Parkbehörd­en, die in seinen Augen nichts unternähme­n. Deshalb hat Weissman die Medien kontaktier­t und einen Aufruf für Freiwillig­e lanciert. „Wenn wir nichts machen, dann macht niemand etwas“, sagt er. Er stellt sicher, dass seine Helfer Container für die Injektions­nadeln erhalten. „Die fasst man nicht mit der bloßen Hand an“, sagt er. Die Container werden vom Vancouver Needle Exchange, einer Stelle, die saubere Spritzen austeilt, abgeholt.

Weissman sorgt sich auch um die wilden Tiere im Park, die den Müll fressen und sich verletzen könnten. „Wir haben Tierschutz­organisati­onen kontaktier­t, aber nicht einmal eine Antwort erhalten“, sagt er. Dafür haben sich Freiwillig­e auf seinen Hilferuf gemeldet. Ein ganzes Anwaltsbür­o aus Vancouver will an einem Wochenende Müll einsammeln. Weissman rät den Helfern, in Gruppen von vier Leuten loszuziehe­n. Nicht nur aus Sicherheit­sgründen: Der Stanley Park ist so groß, dass man leicht die Orientieru­ng verlieren kann.

Newspapers in German

Newspapers from Austria