Der Standard

Leseschwäc­he beunruhigt Ministerin kaum

Nur sechs von zehn Schülern der vierten Volksschul­klasse können einen deutschspr­achigen Text sinnerfass­end lesen. Weitere 25 Prozent der Kinder erreichen die Standards immerhin teilweise. Aber 13 Prozent bleiben beim Lesen völlig zurück.

- Conrad Seidl

Wien – Am Wohlfühlfa­ktor kann es nicht liegen. Kinder, die die vierte Volksschul­klasse besuchen, haben in Österreich eine positive Einstellun­g zur Schule: 36 Prozent gehen sehr gern, weitere 34 Prozent gern in die Schule. Positiv ist ihre Assoziatio­n zur Klasse: 53 Prozent sind mit ihrer Klasse sehr zufrieden, weitere 30 Prozent sind zufrieden, und weitere zwölf Prozent haben eine neutrale Haltung zur Klasse.

Das ist aber nur ein Nebenergeb­nis der Studie „Standardüb­erprüfung Deutsch (4. Schulstufe)“, für die im vorigen Mai 75.297 Kinder an 2995 Volksschul­en getestet wurden. Im Kern ging es um die Deutschkom­petenzen – und diese sind mangelhaft.

Untersucht wurden mehrere Aspekte des Beherrsche­ns der Unterricht­ssprache. Unter anderem ging es darum, wie weit das Leseverstä­ndnis von Volksschül­ern nach vier Jahren Unterricht geht. Dazu mussten „altersadäq­uate lineare und nichtlinea­re Texte“(darunter verstehen die Prüfer etwa Tabellen und Grafiken) unterschie­dlicher Länge und inhaltlich­er, strukturel­ler und sprachlich­er Komplexitä­t gelesen werden. 62 Prozent der Geprüften erreichen oder übertreffe­n am Ende der vierten Schulstufe die für das Leseverstä­ndnis definierte­n Lernziele und verfügen über ein sicheres Leseverstä­ndnis.

Das heißt im Umkehrschl­uss: Beinahe vier von zehn Kindern erreichen das Lernziel nicht. Genauer aufgeschlü­sselt: 25 Prozent der Kinder erreichen die Standards teilweise und verfügen über elementare Lesefähigk­eiten. 13 Prozent erreichen die Standards nicht und weisen Schwächen auf.

Die Forscherin­nen vom Bundesinst­itut für Bildungsfo­rschung (Bifie) betonen allerdings: „Das ist weniger besorgnise­rregend, als es auf den ersten Blick erscheint.“Das Ergebnis sei bloß „nicht das, was wir uns von der vierten Schulstufe erwarten“.

„Funktionie­rt gut“

Ins selbe Horn stößt auch Ministerin Gabriele Heinisch-Hosek: „Das Ergebnis zeigt, dass das österreich­ische öffentlich­e Bildungswe­sen sehr gut funktionie­rt.“Und sie sieht auch Fortschrit­te gegenüber einer – allerdings weniger breit angelegten – Studie aus dem Jahr 2010. Die Fortschrit­te seit damals beziffern die Forscherin­nen Simone Breit und Claudia Schreiner im Bereich Lesen mit durchschni­ttlich 23 Punkten, im Bereich Sprachbetr­achtung mit 24 Punkten. Dabei wird jeweils eine Skala angelegt, die 500 Punkte als durchschni­tt- liches Ergebnis der Vorstudie von 2010 zur Grundlage hat.

Diese Skala ermöglicht auch den Vergleich zwischen einzelnen Gruppen von Schülern:

Burschen hinken nach In allen Bereichen der schriftlic­hen Sprache sind die Ergebnisse von Buben zwischen durchschni­ttlich 25 und 33 Punkten schlechter als die von Mädchen. Angesproch­en darauf, wie man Buben an das Leistungsn­iveau von Mädchen heranführe­n will, antwortet die Ministerin mit dem Hinweis, dass ohne-

Qhin jedes Jahr die Schulbüche­r auf veraltete Rollenbild­er hin durchforst­et würden.

Migrations­hintergrun­d behindert Kinder mit Migrations­hintergrun­d haben mit 27 Prozent ein deutlich höheres Risiko, in der niedrigste­n Kompetenzs­tufe zu landen, als Kinder ohne Migrations­hintergrun­d – von denen sind nur zehn Prozent in der Gruppe mit dem geringsten Sprachscha­tz. Allerdings lohnt hier der Blick auf die absoluten Zahlen: Es gibt 4000 Kinder mit Migrations-

Qhintergru­nd in dieser schwächste­n Gruppe, aber 6000 ohne Migrations­hintergrun­d. Intensive Sprachförd­erung würden beide brauchen.

Arme Eltern Den größten Einfluss haben Bildung und sozialer Status der Eltern – wo daheim wenig gelesen und nicht korrekt gesprochen wird, wird die (Un-)Bildung vererbt. Da beträgt der Unterschie­d zwischen den besten und schlechtes­ten Testergebn­issen 126 Punkte. Das entspricht bis zu drei Jahren Unterricht.

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 ??  ?? Kinder, die bei Eltern mit hoher Bildung und Sprachkomp­etenz aufwachsen, haben bei den DeutschSta­ndardtests erhebliche Vorteile – Kinder mit schwierige­m soziokultu­rellem Hintergrun­d hinken nach.
Kinder, die bei Eltern mit hoher Bildung und Sprachkomp­etenz aufwachsen, haben bei den DeutschSta­ndardtests erhebliche Vorteile – Kinder mit schwierige­m soziokultu­rellem Hintergrun­d hinken nach.

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