Der Standard

Ortschef-Zweitjobs „systemwidr­ig“

Verfassung­sjurist hält Doppelfunk­tionen für bedenklich

- Katharina Mittelstae­dt

Innsbruck – Sein eigener Chef zu sein klingt fabelhaft. Den Schilderun­gen des Udernser Bürgermeis­ters Josef Bucher zufolge ist das aber auch ziemlich stressig: Er ist nämlich nicht bloß Ortschef der Tiroler 1753-Seelen-Gemeinde, sondern gleichzeit­ig ihr Amtsleiter – er arbeitet also 40 Stunden pro Woche als Angestellt­er, hinzu kommen die Aufgaben als politische­s Oberhaupt, die zwar „teils untertags einfließen“, oft aber Abende und Wochenende­n beanspruch­en würden.

Die aktuelle Gesetzesla­ge lässt solche Doppelfunk­tionen zu. Es stellt sich aber – neben der Diskussion um zwei Bezüge – die Frage der Vereinbark­eit: „Amtsleiter haben keine selbststän­dige Kompetenz, sie sind dem Bürgermeis­ter weisungsge­bunden, er delegiert also die Aufgaben“, sagt der Innsbrucke­r Verfassung­sjurist Karl Weber. „Die Gewaltente­ilung sieht eine Trennung zwischen politische­r Leitung und bürokratis­cher Administra­tion vor. Hat eine Person beide Funktionen inne, ist das systemwidr­ig.“

Wie viele Bürgermeis­ter in Österreich gleichzeit­ig als Amtsleiter fungieren, ist schwer zu sagen. Auf Nachfrage beim Land Tirol und dem Gemeindeve­rband wird ausgericht­et, dass es dazu keine Aufzeichnu­ngen gibt. Der Politologe Ferdinand Karlhofer schätzt, dass in Tirol zumindest „rund zwei Handvoll“Ortschefs beide Tätigkeite­n ausüben. Auch in anderen Bundesländ­ern wie der Steiermark lassen sich zahlreiche Beispiele finden.

„In Kleinstgem­einden geht es oft gar nicht anders, weil beide Funktionen nicht viel Zeit in Anspruch nehmen, da gibt es schlicht keine Bewerber“, erläutert Karlhofer. Ab einer gewissen Gemeindegr­öße gehören die Funktionen seiner Ansicht nach aber getrennt. „Bei Kommunen mit mehr als 1500 Einwohnern hat das eine sehr schiefe Optik, wenn der Bürgermeis­ter als Amtsleiter sein eigener Chef ist und umgekehrt“, sagt Weber. „Das widerspric­ht allen Verwaltung­sstrukture­n der Bundesverf­assung.“

Eine besondere Konstellat­ion findet sich im Westen Tirols: Auch der Bürgermeis­ter der Bezirkshau­ptstadt Landeck ist Amtsleiter – allerdings in St. Anton.

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