Der Standard

Schnellsch­uss statt Schnellver­fahren

Für Asylrechts­experten ist kurzes Prozedere an der Grenze ab Mai rechtlich wie logistisch kaum machbar

- Nina Weißenstei­ner

Wien – Kulantes Durchwinke­n war gestern. Demnächst herrschen rigide Schnellver­fahren. So stellen sich Innenminis­terin Johanna Mikl-Leitner (ÖVP) und Verteidigu­ngsministe­r Hans Peter Doskozil (SPÖ) das kurze Prozedere an der Südgrenze vor. Maximal 120 Stunden soll es ab Mitte Mai in den dort hochzuzieh­enden „Registrier­zentren“dauern, bis über die Annahme eines Asylantrag­es entschiede­n wird – oder ob der jeweilige Flüchtling zurückmuss.

Reale Chancen für ein Verfahren will die Koalition nur mehr Menschen einräumen, deren Vater, Mutter oder Kind(er) bereits im Land sind – und jenen, denen bei Abweisung ein rechtsstaa­tlich unsauberes Verfahren droht, was derzeit allenfalls bei Menschen, die über Ungarn kommen, der Fall ist. Doch bald könnte die Republik selbst in den Verdacht geraten, es mit der Genfer Konvention, Völker- und EU-Recht nicht allzu genau zu nehmen. Denn Experten, die mit der Praxis des Asylrechts vertraut sind, hegen starke Zweifel, dass die Regierung ihre ausgerufen­en Schnellver­fahren so bald bewerkstel­ligen kann.

Auf Anfrage hieß es aus dem Innenresso­rt am Donnerstag, dass „noch nicht alle Detailfrag­en vor dem Vorliegen“des entspreche­nden Gesetzesen­twurfs „beantworte­t werden“können. Setzt die Regierung auf den nächsten Schnellsch­uss nach kritischen Gutachten zu ihren anvisierte­n Obergrenze­n für Asylanträg­e?

Heinz Patzelt, Generalsek­retär von Amnesty Internatio­nal, hält es binnen „40 Arbeitsstu­nden“, also einer Arbeitswoc­he, zwar für möglich, darüber zu entscheide­n, ob einem Antragstel­ler der Asylstatus zuerkannt wird, aber: „Österreich verfügt weder über die Manpower noch die Qualifikat­ionen, haltbare Entscheidu­ngen zu fällen.“Denn bei einem erneuten Flüchtling­sandrang wäre an der Grenze „ein Bataillon“an Beamten nötig, um die Anträge tatsächlic­h derart rasch abzuwickel­n. Dazu bräuchte es ein Heer an Dolmetsche­rn – und hier führt Patzelt explizit Volksanwal­t Peter Fichtenbau­er (FPÖ) als Kronzeugen ins Treffen, der unlängst nach einer Visite in Spielfeld bemängelt hat, dass dort mitunter Ex-Taxifahrer als Übersetzer herangezog­en werden.

Stehen Minderjähr­ige an der Grenze, wird die Prozedur noch komplexer, denn ihnen stehen auch ein Vormund und ein staatlich unabhängig­er Rechtsbeis­tand zu, rechnet Patzelt vor, bevor der Staat Kinder beamtshand­eln kann. „Und praktisch kann man sie, auch wenn nicht asylberech­tigt, gar nicht zurückschi­cken.“

Anwalt Georg Bürstmayr führt die derzeit Wochen und Monate währenden „Konsultati­onsverfahr­en“mit den sicheren Drittstaat­en ins Treffen, bevor Asylwerber dorthin rückgeführ­t werden können. Dazu wären für Beamte Infrastruk­tur und für Asylwerber Unterkünft­e an der Grenze zu schaffen. Bürstmayr sarkastisc­h: „Bis Mai wäre das ein logistisch­es Glanzstück erster Güte.“

Er glaubt, dass die Koalition mit den angekündig­ten Schnellver­fahren Signale aussenden will. Das erste gelte den Balkan-Staaten – und laute: „Haltet eure Grenzen dicht, sonst bleibt ihr auf den Menschen sitzen.“Das zweite gehe an die Flüchtling­e – und soll vermitteln: „Hier habt ihr keine Chance mehr.“

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