Der Standard

Italien steht vor der nächsten Flüchtling­skrise

Heuer gab es im ersten Quartal 80 Prozent mehr Ankünfte als im Rekordjahr 2014

- Dominik Straub aus Rom

„Die Zahl der Flüchtling­e, die von Nordafrika nach Italien gelangen wollen, hat in den vergangene­n Tagen sprunghaft zugenommen; die Situation ist besorgnise­rregend“, sagte die Sprecherin des Uno-Flüchtling­shochkommi­ssariats UNHCR, Carlotta Sami. Die offizielle­n Zahlen bestätigen die Zunahme: Vom 1. Jänner bis 30. März sind in Sizilien und Lampedusa bereits über 18.000 Bootsflüch­tlinge angekommen. Das entspricht einer Zunahme von über 80 Prozent gegenüber den ersten drei Monaten im Rekordjahr 2014, in dem insgesamt 170.100 Flüchtling­e nach Italien gelangt waren.

Der Rekord kann in diesem Jahr deutlich übertroffe­n werden: Behörden rechnen für 2016 mit bis zu 270.000 Bootsflüch­tlingen. „Diese Welle könnte uns überrollen, das bestehende Netz von Aufnahmeze­ntren wird dem Ansturm nicht standhalte­n“, zitierte die Zeitung La Repubblica eine Quelle im italienisc­hen Innenminis­terium.

Tatsächlic­h ist die Lage in den Auffangzen­tren bereits prekär, obwohl die Behörden in den vergangene­n zwei Jahren zehntausen­de neue Unterbring­ungsplätze geschaffen haben. Laut Innenminis­terium werden derzeit 110.000 Flüchtling­e betreut – damit sind die Kapazitäte­n bereits weitgehend ausgelaste­t.

Ein Zusammenha­ng mit der Schließung der Balkanrout­e besteht jedoch vorerst nicht. In Sizilien und Lampedusa landen vorwiegend Afrikaner aus Nigeria, Gambia und dem Senegal. Ein Grund zur Beruhigung ist dies freilich nicht: Bleibt die Balkanrout­e dauerhaft geschlosse­n, werden die nun in der Türkei blockierte­n Syrer, Afghanen und Iraker vermutlich Ausweichro­uten suchen.

Auch aus einem anderen Grund könnte es für Italien bald kritischer werden. Wegen der in den vergangene­n Monaten von den Nachbarlän­dern wieder eingeführt­en Grenzkontr­ollen kann Rom nicht mehr darauf vertrauen, dass die Flüchtling­e unregistri­ert nach Norden weiterreis­en werden. Italien, befürchtet die Regierung von Matteo Renzi, könnte in den nächsten Monaten zu einem riesigen Idomeni zu werden.

 ?? Foto: Reuters ?? Die Regierung von Premier Renzi fürchtet eine neue Krise.
Foto: Reuters Die Regierung von Premier Renzi fürchtet eine neue Krise.

Newspapers in German

Newspapers from Austria