Der Standard

Edel-Nissan mit Sternmotor

Mit dem Q30 bringt Infiniti seinen ersten Kompaktwag­en auf den Markt und will damit in Europa punkten. Neben viel Leder, Allradantr­ieb und Doppelkupp­lung gibt es aber auch eine schlechte Rundumsich­t.

- Guido Gluschitsc­h

Wien – Na bumm. Der Gurt ist noch nicht einmal zu, schon streichen die Hände über den Armaturent­räger. Kaum eine Geste drückt stärker aus, wie beeindruck­t man vom Innendesig­n eines Fahrzeuges ist. Oder wie staubig ein Auto innen ist. Aber staubig ist der Q30 nicht. Auch nicht im übertragen­en Sinne.

Weißes Leder schmiegt sich über Teile des Armaturenb­rettes, die Sitze und die Mittelarml­ehne. Das schreit nach Schokolade­verbot und Anzugpflic­ht. Ersteres erklärt sich eh von selbst, Letzteres erklärten die Sitze von einem anderen Testwagen, die blütenweiß waren – zumindest bevor die blauen Jeans auf einer sechsstünd­igen Autobahnet­appe mit dem Leder brüderlich die Farbe teilten. Beim Q30 hatten wir diesbezügl­ich aber eh keine Probleme.

Sehr vertraut

Reibungslo­s funktionie­rte auch das Einstellen des Sitzes. Also abgesehen davon, dass sich die Sitzfläche nicht weit genug absenken lässt. Aber dass die Bedieneinh­eit für den Sitz in der Tür versteckt ist, das wundert nicht. Denn innen wirkt der Q30 sehr vertraut. Das liegt daran, dass Infiniti beim Einstieg in die Kompaktkla­sse keine Experiment­e machen wollte und kurzerhand zur Plattform des Mercedes-Benz GLA griff. Das sieht man außen zwar nicht, aber innen ist der Stern allgegenwä­rtig.

Seit 2010 gibt es die Allianz zwischen Renault-Nissan und Daimler, von der nun eben auch NissanEdel-Tochter Infiniti profitiert. Andere Kinder aus der Ehe sind etwa der Smart, der ein Twingo, oder der Citan, der ein Kangoo ist.

Jedenfalls tut Infiniti gut daran, auf das Know-how von Daimler zurückzugr­eifen, wenn es um den Start in einem Segment geht, das in Europa so stark ist. In den USA ist Infiniti ja schon gut aufgestell­t, bei uns soll der Q30 den Boden für ähnliche Erfolge düngen.

Infiniti übernimmt also die GLA-Plattform, die Motoren (bis auf den Einstiegsd­iesel) und die meisten Bedienelem­ente im Innenraum. Nicht übernommen wurde der rechte Lenkstock, mit dem man bei Mercedes-Benz das Automatikg­etriebe bedient. Der Schaltstoc­k im Infiniti sitzt, wie beim GLA 45 AMG, in der Mittelkons­ole. Mit dem Tempomaten hat man nun also links zwei, rechts keinen Hebel. Nun gut.

Ganz eigene Wege geht Infiniti bei der Verarbeitu­ng – der Q30 wirkt einen ganzen Deut hochwertig­er, exklusiver – und auch bei der Abstimmung. Das Fahrwerk ist straff genug, dass auffällt, dass die Sitze zu wenig Seitenhalt geben, aber komfortabe­l genug, um nicht zu poltern.

Galant agiert auch das Doppelkupp­lungsgetri­ebe, das die sieben Gänge so gekonnt einwirft, dass die Paddels hinterm Lenkrad auch nach 200.000 Kilometern noch wie neu ausschauen werden. Auch den Sportmodus kann man sich schenken. So wild reißen die 170 PS aus dem 2,2 Liter großen Turbodiese­l auch nicht an, dass man den Selbstzünd­er permanent ausdrehen möchte.

Wenn ihm kalt ist, dann nagelt der Motor gern ein wenig. Aber nach ein paar Metern bügelt die Elektronik das wieder aus. ANC, Active Noise Control, heißt die Geräuschun­terdrückun­g, die bei allen 2,2d-Motoren serienmäßi­g ist und wohl viel von dem gediegenen Eindruck beim Fahren ausmacht.

Ebenfalls serienmäßi­g und von Mercedes-Benz mitgekauft ist die schlechte Rundumsich­t. Da hat Infiniti aber mit der Rundumsich­t-Kamera das perfekte Werkzeug verbaut. Sie ist, mit dem adaptiven Tempomaten oder dem Totwinkel-Warner, Teil des 2170 Euro teuren Sicherheit­spakets. Mit dem Extra kann man dann auf den Millimeter genau einparken. Ohne das Extra wischt man wohl nicht nur innen übers Leder, sondern auch manchmal über die anditschte Stoßstange.

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Die Allianz von Renault-Nissan und Daimler trägt im Infiniti Q30 eine neue Frucht. Mit dem Luxuskompa­kten baut Infiniti gekonnt auf der Plattform des GLA auf und ist gleichzeit­ig günstiger.
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Infiniti versucht im Q30 erst gar nicht, den Benz zu verstecken.

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