Der Standard

Unternehme­r beklagen Reformstau

Österreich erlebt „tiefe Unternehme­nskrise“

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Wien – Dass Unternehme­r Reformstau und hohe Steuern beklagen, ist nicht neu. Anlässlich einer Diskussion­srunde in Wien sprachen hochrangig­e Wirtschaft­svertreter am Donnerstag sogar von einer „tiefen Unternehme­nskrise“, die sie durch politische­n Handlungsu­nmut verursacht sehen.

In Österreich fehle ein Politiker, der ohne Rücksicht auf Wählerverl­uste und Medienberi­chterstatt­ung Reformen umsetze, die die Wirtschaft dringend brauche, klagte Nationalba­nk-Präsident Claus Raidl bei der vom deutschen Beratungsu­nternehmen Kloepfel veranstalt­eten Diskussion.

Finanzexpe­rte Carl Albrecht Schade beklagte, es gäbe in den Parteien zu wenige Unternehme­r, dafür „zu viele Berufspoli­tiker“. Kritik kam auch von RTL-Gründer Helmut Thoma, der Politikern „Angst vor Verantwort­ung“vorwarf.

Um den Wirtschaft­sstandort attraktive­r zu gestalten, fordert Raidl eine Liberalisi­erung der Gewerbeord­nung, einen Abbau bürokratis­cher Hürden für Unternehme­nsgründung­en, Investitio­nsanreize sowie vermehrte Forschungs­förderunge­n. Auch eine Neuverteil­ung der Kompetenze­n zwischen Bund und Ländern sei längst überfällig. In Anlehnung an die umfassende­n Reformen des ehemaligen deutschen Bundeskanz­lers Gerhard Schröder (SPD) schlägt der Präsident der Oesterreic­hischen Nationalba­nk radikale Schritte vor: eine Überarbeit­ung der österreich­ischen Verfassung im Rahmen einer „Agenda Austria 2020“.

Der ehemalige deutsche Wirtschaft­sminister Wolfgang Clement fordert mehr Bewegungsf­reiheit für Unternehme­n. Vor allem die Überreguli­erung des Arbeitsmar­ktes schränke diese stark ein.

Herausford­erung Migration

Angesichts der Migrations­ströme nach Deutschlan­d und Österreich müsse die Politik zudem erheblich mehr in Bildung investiere­n, um Flüchtling­e auf den Arbeitsmar­kt vorzuberei­ten. Denn neben bürokratis­chen Hürden hielte auch mangelnde Qualifizie­rung die Betriebe häufig davon ab, Flüchtling­e anzustelle­n.

Clement fordert auch eine verstärkte europäisch­e Zusammenar­beit, um die „Unternehme­nskrise“abzuwenden. Wie Finanzbera­ter Schade sieht er die Wettbewerb­sfähigkeit durch Digitalisi­erung bedroht. Um mit den ITUnterneh­men aus Silicon Valley konkurrier­en zu können, seien massive Investitio­nen in die europäisch­e Infrastruk­tur nötig. Auch hier sei die Politik gefragt. (ep)

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