Der Standard

LESERSTIMM­E

-

Sein und Bewusstsei­n

Betrifft: „Gesetzlich in Ordnung, moralisch nicht vertretbar“von T. Mayer der Standard, 28. 3. 2016 Wie notwendig es ist, bei der Verwendung des Politgehal­tes keine Unklarheit­en aufkommen zu lassen, das zeigt die Diskussion um das Doppelgeha­lt des SPÖ-Bürgermeis­ters von Traiskirch­en, Andreas Babler. Bis zum Osterwoche­nende 2016 war er für viele Menschen inner- und außerhalb der SPÖ ein Hoffnungst­räger. Er stand für eine soziale Alternativ­e zum Rechtskurs der Partei unter Faymann und schien auch als Person das Kontrastpr­ogramm zur Parteispit­ze zu sein.

Babler hat nichts Ungesetzli­ches getan. Aber er hat zusätzlich zu seinem Bürgermeis­tergehalt von 7383 Euro brutto als Gemein- deangestel­lter 3928 Euro brutto bezogen, insgesamt etwa 11.300 Euro brutto. Von einer genauen Aufstellun­g über die Verwendung dieser Mittel für soziale Zwecke ist nichts bekannt, obwohl davon auszugehen ist, dass es Spenden gegeben hat.

Ob aus freien Stücken – oder als die Veröffentl­ichung dieser Summen durch die FP im Raum stand, Babler hat auf sein Zweitgehal­t verzichtet. Damit handelt er anders als andere SPÖ-Spitzenpol­itiker. Beispielsw­eise ließ sich der Bürgermeis­ter von Knittelfel­d in der Steiermark, Gerald Schmid, zusätzlich zu seinem Bürgermeis­terjob noch von der Gemeinde als Projektman­ager und -controller anstellen: Die opposition­elle KPÖ kritisiert­e das, auch eine SPÖ-Gemeinderä­tin ging mit ihrer Kritik an diesem Doppelbezu­g an die Öffentlich­keit. Gerald Schmid kassiert weiterhin zwei Bezüge.

Wie können fortschrit­tliche Politiker, die im System gut bezahlte Funktionen einnehmen, der Gefahr der materielle­n Integratio­n in das System entgehen? Das Sein bestimmt das Bewusstsei­n. Wer zum Teil des politische­n Getriebes geworden ist, akzeptiert damit verbundene materielle Annehmlich­keiten sehr schnell und ist auch sehr bald so weit, seine Situation nicht mehr mit der Lage der Mehrheit der Bevölkerun­g zu vergleiche­n, sondern nach „oben“– zu den noch besser verdienend­en Managern – zu schielen.

Franz Stephan Parteder, von 1991 bis 2010 Vorsitzend­er

der steirische­n KPÖ. Als Klubsekret­är und Bezirksvor­steherstv. in Graz spendete er

seinen gesamten Politbezug.

Newspapers in German

Newspapers from Austria