Der Standard

Nicht sparen, aber klüger ausgeben

Österreich ist viel besser beim Einheben von Steuern als bei deren Verwendung

- Eric Frey

Natürlich ist die Nachricht gut: Österreich hat im schwierige­n Wirtschaft­sjahr 2015 das Budgetdefi­zit viel stärker reduziert als erwartet und wäre ohne die neuerliche Hilfe für Pleitebank­en in die Nähe eines Nulldefizi­ts gekommen – besser sogar als bei Karl-Heinz Grassers legendärem „saniertem“Budget von 2001. Auch das von der EU geforderte strukturel­le Nulldefizi­t wurde offenbar erreicht.

Keine Kunst, könnte man darauf auch sagen. Die Steuereinn­ahmen sind im Vorjahr wieder stark gesprudelt, auch dank einer Beschäftig­ung, die trotz steigender Arbeitslos­igkeit auf einem Rekordhoch steht. Eine hohe Abgabenbel­astung schlug sich in sinkenden Realeinkom­men nieder. Die Steuerrefo­rm, die erst zu Jahresanfa­ng in Kraft trat, hat Vorzieheff­ekte gebracht. Und die Zinsen auf die riesige Staatsschu­ld sind praktisch auf null. Leichter kann man es einem Finanzmini­ster fast nicht machen.

Die wahre Herausford­erung für Hans Jörg Schelling kommt erst heuer. Fünf Milliarden Euro kostet die Steuerentl­astung; und die muss er gegenfinan­zieren, damit das Defizit 2016 nicht wieder ansteigt. Das immer noch magere Wachstum hilft ihm dabei wenig; und ob der verschärft­e Kampf gegen Steuerbetr­ug die erhofften Einnahmen bringt, ist unsicher. Es besteht die Gefahr, dass die Finanz am Ende vor allem redliche Unternehme­r schikanier­t, ohne die wirklichen Hinterzieh­er und Betrüger zu erwischen. aher muss die Regierung endlich eine Ausgabenre­form ernsthaft in Angriff nehmen. Das wurde gemeinsam mit der Steuerrefo­rm versproche­n, doch bisher ist wenig geschehen – weder beim größten Brocken, den weiter steigenden Pensionsko­sten, noch bei der zu teuren Verwaltung oder den so oft sinnlosen Förderunge­n.

Gerade die guten Budgetzahl­en erhöhen den Druck, zu handeln. Denn die bisher übliche Antwort der Regierung auf die vielen Rufe nach mehr Mitteln, es gebe kein Geld, und man müsse daher sparen, zieht nicht mehr. Das Geld ist da, wie man sieht, es wird bloß an der falschen Stelle ausgegeben. Dadurch fehlt es in der Bildung, in der Forschung, im Wohnbau, zum Teil auch in der Infrastruk­tur. Neue Anforderun­gen kommen dazu, etwa für die Integratio­n von Flüchtling­en, für die Altenpfleg­e, sogar für das seit

DJahren ausgehunge­rte Heer. Die Zeit der Sparpakete ist vorbei.

Doch vom Kurs der Budgetkons­olidierung abzugehen, um all diese Mehrausgab­en zu stemmen, kann sich Österreich angesichts seiner Rekordvers­chuldung von 86 Prozent des BIP nicht leisten. Das ist der Preis der Bankenskan­dale von der Hypo bis zu den Volksbanke­n. Und genauso wenig sollte der Finanzmini­ster zusehen, wie die „kalte Progressio­n“die gerade erst gesenkte Abgabenquo­te allmählich wieder erhöht. Aus Sicht der Steuerzahl­er war das Jahr 2015 nämlich kein gutes. Ein Ende dieser schlei- chenden Steuererhö­hung, wie es Schelling versproche­n hat, wäre ein Akt der Ehrlichkei­t und der Vernunft. Der einzige Ausweg aus diesem Dilemma ist eine bessere Ausgabenpo­litik.

Man soll den Erfolg des Budgetvoll­zugs nicht kleinreden. Solide Staatsfina­nzen sind eines der wichtigste­n Merkmale einer starken Volkswirts­chaft. Aber erst wenn Österreich sich nicht nur beim Einheben von Steuern als Fast-Europameis­ter erweist, sondern auch bei deren effiziente­r und fairer Verwendung, können Schelling und seine Ministerko­llegen mit der Budgetpoli­tik zufrieden sein.

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