Nicht sparen, aber klüger ausgeben
Österreich ist viel besser beim Einheben von Steuern als bei deren Verwendung
Natürlich ist die Nachricht gut: Österreich hat im schwierigen Wirtschaftsjahr 2015 das Budgetdefizit viel stärker reduziert als erwartet und wäre ohne die neuerliche Hilfe für Pleitebanken in die Nähe eines Nulldefizits gekommen – besser sogar als bei Karl-Heinz Grassers legendärem „saniertem“Budget von 2001. Auch das von der EU geforderte strukturelle Nulldefizit wurde offenbar erreicht.
Keine Kunst, könnte man darauf auch sagen. Die Steuereinnahmen sind im Vorjahr wieder stark gesprudelt, auch dank einer Beschäftigung, die trotz steigender Arbeitslosigkeit auf einem Rekordhoch steht. Eine hohe Abgabenbelastung schlug sich in sinkenden Realeinkommen nieder. Die Steuerreform, die erst zu Jahresanfang in Kraft trat, hat Vorzieheffekte gebracht. Und die Zinsen auf die riesige Staatsschuld sind praktisch auf null. Leichter kann man es einem Finanzminister fast nicht machen.
Die wahre Herausforderung für Hans Jörg Schelling kommt erst heuer. Fünf Milliarden Euro kostet die Steuerentlastung; und die muss er gegenfinanzieren, damit das Defizit 2016 nicht wieder ansteigt. Das immer noch magere Wachstum hilft ihm dabei wenig; und ob der verschärfte Kampf gegen Steuerbetrug die erhofften Einnahmen bringt, ist unsicher. Es besteht die Gefahr, dass die Finanz am Ende vor allem redliche Unternehmer schikaniert, ohne die wirklichen Hinterzieher und Betrüger zu erwischen. aher muss die Regierung endlich eine Ausgabenreform ernsthaft in Angriff nehmen. Das wurde gemeinsam mit der Steuerreform versprochen, doch bisher ist wenig geschehen – weder beim größten Brocken, den weiter steigenden Pensionskosten, noch bei der zu teuren Verwaltung oder den so oft sinnlosen Förderungen.
Gerade die guten Budgetzahlen erhöhen den Druck, zu handeln. Denn die bisher übliche Antwort der Regierung auf die vielen Rufe nach mehr Mitteln, es gebe kein Geld, und man müsse daher sparen, zieht nicht mehr. Das Geld ist da, wie man sieht, es wird bloß an der falschen Stelle ausgegeben. Dadurch fehlt es in der Bildung, in der Forschung, im Wohnbau, zum Teil auch in der Infrastruktur. Neue Anforderungen kommen dazu, etwa für die Integration von Flüchtlingen, für die Altenpflege, sogar für das seit
DJahren ausgehungerte Heer. Die Zeit der Sparpakete ist vorbei.
Doch vom Kurs der Budgetkonsolidierung abzugehen, um all diese Mehrausgaben zu stemmen, kann sich Österreich angesichts seiner Rekordverschuldung von 86 Prozent des BIP nicht leisten. Das ist der Preis der Bankenskandale von der Hypo bis zu den Volksbanken. Und genauso wenig sollte der Finanzminister zusehen, wie die „kalte Progression“die gerade erst gesenkte Abgabenquote allmählich wieder erhöht. Aus Sicht der Steuerzahler war das Jahr 2015 nämlich kein gutes. Ein Ende dieser schlei- chenden Steuererhöhung, wie es Schelling versprochen hat, wäre ein Akt der Ehrlichkeit und der Vernunft. Der einzige Ausweg aus diesem Dilemma ist eine bessere Ausgabenpolitik.
Man soll den Erfolg des Budgetvollzugs nicht kleinreden. Solide Staatsfinanzen sind eines der wichtigsten Merkmale einer starken Volkswirtschaft. Aber erst wenn Österreich sich nicht nur beim Einheben von Steuern als Fast-Europameister erweist, sondern auch bei deren effizienter und fairer Verwendung, können Schelling und seine Ministerkollegen mit der Budgetpolitik zufrieden sein.