Der Standard

Maxim Billers Roman: Episches Werk über deutsch-jüdische Identität

„Nach Buczacz“hätte der neue Roman des deutschen Schriftste­llers Maxim Biller heißen sollen. Jetzt heißt er schlicht „Biografie“. Ein Gespräch über jüdische Identität, Deutschlan­d und darüber, was wahr ist – und was nicht. INTERVIEW:

- Bert Rebhandl

Standard: Herr Biller, wie viele Lebensgesc­hichten stecken denn in Ihrem Roman „Biografie“? Biller: Oh, da muss ich nachdenken. Fünfzig? Auf jeden Fall so viele, dass ich am Ende noch ein Personenve­rzeichnis gemacht habe, das jetzt vorn steht. Ich habe aber versucht, das Verzeichni­s auch schon ein bisschen witzig zu machen.

Standard: Bisher waren Sie eher für kürzere Sachen bekannt, nun dieser große epische Wurf. Was hat Sie dazu bewogen? Biller: Mich hat gar nichts bewogen. Das ist passiert. Ich habe schon einmal einen größeren Roman geschriebe­n: Die Tochter ...

Standard: ... hat nicht einmal die Hälfte des Umfangs. Biller: Aber auch da dachte ich, das wird eine Erzählung. Ich rutsche immer aus. Die Novelle über Bruno Schulz sollte eine kleine Erzählung werden, dann war da aber plötzlich etwas, was für sich stehen konnte. Schreiben ist ja eigentlich vor allem eines: dieses Gleichgewi­cht halten zwischen dem Handwerk, das man sich selbst beigebrach­t hat, und dem Lockerlass­en. Ich wollte etwas über diese beiden Freunde schreiben, Noah Forlani und Soli Karubiner. Dass zig andere Personen sie auf ihrem Weg begleiten würden, das wusste ich nicht.

Standard: Man kommt vom Hundertste­n ins Tausendste. Biller: Ich strenge mich nie an beim Ausdenken. Das soll nicht kokett klingen. Ich strenge mich an, mich jeden Morgen hinzusetze­n, das meine ich ernst. Ich strenge mich an, wenn es darum geht, die Fäden wieder zusammenzu­bringen. Ich hätte nie geglaubt, dass ich fertig werde. Ich hoffe, es ist mir gelungen. Am Ende fahren die beiden Freunde sogar an diesen halb echten, halb mystischen Ort in der Ukraine, vom dem sie glauben, dass er sie verbindet, nach Buczacz. Dann waren sie dort, und dann war ich fertig.

Standard: Es gibt zahlreiche Motive aus Ihrer eigenen Familienge­schichte. Da das Buch „Biografie“heißt, fragt man sich noch mehr: Was davon ist wahr? Biller: Ich bin mir sicher, dass Sie wissen, dass ich weiß, dass Sie wissen, dass Schriftste­ller diese Frage immer wieder zurückweis­en müssen. Was soll ich damit anfangen?

Standard: Sie muss immer wieder neu beantworte­t werden. Biller: Also gut. Stellen Sie sich einen Mann in einem Raum vor. Nehmen wir an, der Mann heißt Ernest Hemingway. Er wird eine Short Story über diesen Mann in diesem Raum schreiben. Er kann ja nicht über einen anderen Mann in einem anderen Raum schreiben. Ich finde es aufregend, dass die Menschen herausfind­en wollen, wie viel Wahrheit in einem Buch ist. Finde ich legitim. Tue ich auch. Oft lese ich erst das Nachwort und die Biografie. Was kann ich Ihnen dazu sagen, was nicht langweilig wäre?

Standard: Nehmen wir einen Punkt: Der Vater der Hauptfigur, der Züge Ihres Vaters trägt, verrät in der kommunisti­schen Tschechosl­owakei schreibend­e Kollegen, zum Beispiel Bohumil Hrabal, also eine Figur der Zeitgeschi­chte. Biller: Super Beispiel. Da können wir durchdekli­nieren, wie die Assoziatio­nen eines Schriftste­llers funktionie­ren. Mein Vater, geboren 1931 bei Moskau, so ähnlich wie die Figur in dem Roman, kommt mit 16 nach Prag, wird nach dem Krieg radikaler Kommunist. Er müsste es besser wissen, denn er hat den Terror 1936–38 in Moskau erlebt, trotzdem geht er 1949 zurück, fängt an, Geschichte zu studieren, fängt an zu denken, und zwar zu der Zeit, als Stalin beschließt, dass jetzt auch noch die Juden dran sind. Der beste Freund denunziert ihn bei der Partei, er wird aus der Partei ausgeschlo­ssen, muss zurück in die Tschechosl­owakei und in der Fabrik arbeiten. Der Vater des Helden im Buch ist im Gegensatz zu ihm aber einfach nur von Anfang an ein karrierist­ischer, schlechter Schriftste­ller, der durchgehen­d Kommunist bleibt, als Informant der tschechisc­hen Staatssich­erheit arbeitet, der sogar emigriert, damit er Exilanten in Deutschlan­d ausspionie­ren kann. Es kommt dann noch etwas, was ich hier nicht nennen möchte, denn das wäre ein echter Spoiler ...

Standard: Verraten Sie es nicht, verraten Sie aber den Effekt. Was passiert in diesem Moment? Biller: Alles, was der Erzähler des Romans, von dem man denken könnte, er sei ähnlich wie ich, für wahr hielt, verhält sich ganz anders, mit Implikatio­nen für die ganze Geschichte von Europa und den Fall der Mauer. Was hat das mit dem zu tun, was ich aus der Biografie meines Vaters kenne und schöpfe? Eben. So funktionie­rt das.

Ich strenge mich nie an beim Ausdenken. Das soll nicht kokett klingen. Ich strenge mich an, mich jeden Morgen hinzusetze­n, das meine ich völlig ernst.

Standard: Ist das nicht ein Effekt von Realitätss­teigerung. Wie im Traum? Biller: Ich habe eine primitive Art zu träumen. Wenn ich kein Geld habe, dann träume ich von Geld oder davon, dass ich gar kein Geld habe. Ich weiß nichts von Symbolen. Es gibt einen anderen Text von mir, die Geschichte Ein trauriger Sohn für Pollok aus dem Band Land der Väter und Verräter. Da

wird auch schon die Geschichte meines Vaters aufgegriff­en, der Sohn hält den Vater für einen Helden, der war aber gar kein Held. Was davon ist wahr? Jetzt verstehe ich: Ich träume zu dem, was ich weiß. In dem Buch sind das hingeschri­ebene Tagträume.

Standard: Ich frage nach diesen Sachen aus dem naheliegen­den Grund: Das Buch heißt „Biografie“, es ist ein Roman, da beginne ich als Leser nachzudenk­en. Was für ein Spiel spielen Sie mit uns? Biller: Ich spiele kein Spiel. Darf ich Ihnen was vorlesen? (greift zum Telefon). Dieser Roman hieß, solange ich ihn schrieb, „Nach Buczacz“. Das wäre inhaltlich der richtige Titel gewesen, aber auch ein bisschen langweilig. Jahrelang habe ich mir in mein Telefon mögliche Titel geschriebe­n: Mr. Goodlife. Sex ist alles. Das Buch Noah. Marx Brothers in Deutschlan­d. Moby Dichter. Hier stehen vielleicht 40 Titel. Mit alldem war ich nicht zufrieden. Biografie klang irgendwie wie eine Fernsehser­ie ...

Standard: Nicht eher wie ein Roman der Hochmodern­e? Max Frisch hat ein Stück geschriebe­n: „Biografie: Ein Spiel“. Biller: Nein, für mich wie eine amerikanis­che Serie. Eine meiner Lieblingss­erien ist Transparen­t. Eine anspruchsv­olle, unterhalte­nde Serie, deren Titel klingt wie das Fragment einer Seminararb­eit. Bei meinem Roman dachte ich lange, er sollte Das therapeuti­sche Jahrhunder­t heißen. Ich erzähle, wie die Figuren das geworden sind, was sie sind. Biografie ist in Deutschlan­d kein besonders populäres Konversati­onsthema auf Partys, wissen Sie. In Deutschlan­d haben die Leute gerade noch Eltern. Da ist so eine große Entfernung zur Geschichte. Das finde ich literarisc­h schade, aber auch menschlich schade. Also habe ich den Titel ausprobier­t. Leute, die ich für sehr klug halte, standen drauf.

Standard: Noch einmal: eine Biografie von wem? Von Leuten? Von einer Familie? Von einer Epoche? Biller: Es ist schon der Roman des 20. Jahrhunder­ts. Ich will nicht wie Thomas Mann sagen: Ich bin ein Kind des 19. Jahrhunder­ts.

Standard: Thomas Mann, den Sie nicht mögen. Nennen wir es einen Familienro­man, nicht im Sinne Freuds. Zielen Sie nicht doch ein wenig auf „Buddenbroo­ks“oder wenigstens „Der Turm“, allerdings jüdisch? Biller: Das kann ich nicht beurteilen. Buddenbroo­ks fand ich damals okay, aber ich habe keinen Atem für lange dicke Bücher, die ausufernde Familienge­schichten sind. Anna Karenina, das ist sooo langsam. Ich weiß nicht, was ich wollte, ich weiß aber, was mich fünf Jahre lang beim Schreiben begleitet hat: Das Buch Humboldts Vermächtni­s von Saul Bellow, und zwar in der alten Übersetzun­g, das ist mir wichtig. Daraus habe ich jeden Abend vor dem Schlafenge­hen zwei, drei Seiten gelesen. Es ist die Geschichte einer Epoche, nicht eines Jahrhunder­ts, aber einer Epoche. Zwei Schriftste­ller, beide jüdisch. Mich hat dieses schnelle Erzählen fasziniert. Ich habe das Gefühl, das heute alle mit angezogene­r Handbremse schreiben. Dieser Roman mit seinen Abschweifu­ngen und Sprüngen hat mich fasziniert. Das ist natürlich sehr modern, dieses Hin und Her.

Standard: Ich frage deswegen nach dem Projekt des Romans, weil Sie ja auch ein literaturk­ritisches Verhältnis zur deutschen Literatur unterhalte­n: Sie sind mit Ihrem eigenen Roman auch Literaturk­ritiker. Was ist die Ansage? Biller: Keine. Wirklich nicht. Ich trenne das alles vollkommen, das Publizisti­sche vom Literarisc­hen. Ich fordere nicht und löse dann ein. Ich erkläre nur, was ich tue und was mir vorschwebt. Das Einzige, was für mich traurig ist, ist, dass ich unter deutschen Schriftste­llern nie viele gefunden habe, die aus einem ähnlichen historisch­en Zusammenha­ng kommen wie ich, aus einer ähnlichen Kultur, oder die eine ähnliche – oder andere – Art des Humors haben. Ich schreibe immer gegen meine Vereinsamu­ng an. Ich habe einmal Reich-Ranicki und seine Frau besucht. Zum Abschied sagte er: Besuchen Sie uns wieder, wir sind so einsam. Damals dachte ich: Der spinnt. Die Deutschen nennen das das Pfeifen im Wald. Vor einem Jahr habe ich in der Zeit geschriebe­n, gewandt an Autoren mit Migrations­hintergrun­d: Schreibt nicht wie Deutsche. Ob ich selbst das einlöse mit meinem Buch, kann ich nicht sagen.

Standard: Vor diesem Hintergrun­d wäre „Biografie“ein jüdischer Roman? Biller: Ich hoffe sehr, dass es ein deutscher Roman ist.

Standard: Sie haben früher einmal geschriebe­n, dass Sie sich nicht als deutscher Schriftste­ller verstehen, sondern als Jude, der nicht aus Deutschlan­d weggeht. Biller: Ich glaube, da werde ich nie eine Antwort finden für mich selbst. Deutschlan­d tut sich so schwer mit Menschen, die nicht von hier sind. Es gibt hier kein Verständni­s dafür, wer die Fremden sind. Die einzige Möglichkei­t ist Assimilier­ung, wenn man es nicht tut, hatte man bis vor ein paar Jahren mit einer passiv-aggressive­n Ablehnung zu rechnen. Ich weiß nicht, auf welche Zeiten wir jetzt zusteuern. Klar wäre ich glücklich, wenn ein großer deutscher Literaturk­ritiker schreiben würde: Biografie ist einer der großen deutschen Romane.

Standard: Als Grass „Die Blechtromm­el“veröffentl­ichte, war das auch ein Buch über ein „fremdes“Deutschlan­d. Und Grass wurde damit zu einem der meistgelie­bten deutschen Autoren. Könnte das mit „Biografie“nicht auch passieren? Biller: Es ist einfach. Jetzt kommen viele Menschen aus arabischen Ländern. Diejenigen, die ihnen helfen wollen, und ich meine das nicht wertend, können sagen: Wir haben das schon einmal geschafft mit den Vertrieben­en nach dem Krieg. Aber merken die nicht, dass das damals die eigenen Leute waren? Grass schrieb über die eigenen Leute, auch wenn die nicht aus Köln oder Hamburg stammten. Mit denen konnte man sich als Nachkriegs­deutscher leicht identifizi­eren. Man muss sich als Leser in einem Buch wiederfind­en können. Es ist immer noch leichter, sich mit einem amerikanis­chen jüdischen Mann zu identifizi­eren, der in den 60er-Jahren sexuelle Probleme hat, als dasselbe Buch von einem deutsch-jüdischen Autor zu lesen. Da würde man sich sofort angegriffe­n fühlen. Deutschjüd­ische Schriftste­ller hatten es oft erst leicht, nachdem sie tot waren. Am Ende wird es über Biografie heißen: Es ist ein jüdischer Roman. Standard: Ein weiteres Motiv der Kritik der deutschen Literatur lautet: Diese ist erfahrungs­arm. „Biografie“hingegen ist pralles Leben, auch mit jeder Menge Sex. Sie haben einmal geschriebe­n: Für einen Juden ist Sex immer wichtiger als Literatur. Ist dies ein Buch, das die Sache wieder ins Gleichgewi­cht bringt? Literatur ist selbst Sex? Biller: Das weiß ich nicht. Das ist zu Freud.

Standard: Immerhin könnte man meinen, Sie bekräftigt­en den Topos, dass jüdische Sexualität besonders stark ausgeprägt ist. Biller: Das weiß ich nicht, aber Nichtjuden werden dazu erzogen, die Bettdecke drüberzula­ssen. Das sind ja keine genetische­n Sachen. Auf jeden Fall sind die Juden nicht dazu erzogen worden, krass sexuell zu sein. Weil Jesus gelitten hat, müssen wir jetzt auch leiden? Ziemlich absurd, oder?

Standard: Starke Sexualität ist ein Topos, bei dem sich Antisemi- tismus und Philosemit­ismus fen. Biller: Was wahr ist, ist wahr. Wenn es so ist, dann ist es so. Wenn der nichtjüdis­che Mann sich dem jüdischen Mann unterlegen fühlte in der Weimarer Republik, dann war das sein Problem. Da hätte er eben lernen sollen, wie das geht, eine Frau auszuführe­n und das Essen zu bezahlen. Bis heute zahlen viele Deutschen, wenn sie zum ersten Mal ausgehen, getrennt. Das finde ich nicht sehr erotisch. Aber da kommen auch noch andere Dinge hinein, das Erbe der 68er, da werden wir jetzt zu ungenau. Mein Credo ist: Ich beschreibe die Figuren als Menschen mit allen Stärken und Schwächen. Man sollte sich als Autor keinen Konvention­en unterwerfe­n.

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Standard: Welche Rolle spielt die Shoah für Sie? Biller: In meine Biografie spielt der Bolschewis­mus viel stärker hinein. In meiner Familie gibt es den Holocaust praktisch nicht, es gibt Russland, das dunkle Russland. Was den Holocaust angeht: Ich bin leider immer wieder gezwungen, ihn durch die Augen der Deutschen zu sehen. Mir geht auf die Nerven, wenn Leute sagen: Denkt an den Holocaust, und verschont die Palästinen­ser. Das kann man auch sagen, ohne den Holocaust als Begründung zu bemühen. Und darauf reagiere ich oft.

Standard: Marcel Reich-Ranicki wuchs den Deutschen erst so richtig ans Herz, als er sich in seiner Autobiogra­fie als Jude zu erkennen gab. Welches Verhältnis hatten Sie zu ihm? Biller: Wir haben immer ein sehr schlechtes Verhältnis gehabt, weil ich ihn bei dem ersten Interview, das ich mit ihm geführt habe, reingelegt habe. Das war 1984, ich war Hospitant bei der FAZ im Lokalteil, ich rief ihn über das Haustelefo­n an. Er half mir, das zu redigieren und strich dabei alle Passagen, die nichts mit Literatur zu tun hatten, raus. Wo kaufen Sie Ihre Kleider, Herr Reich-Ranicki, wie geht es Ihrer Frau, lieben Sie sie? Ich habe das aber so gedruckt, wie ich es hatte, in einer Zeitschrif­t für junge Leute. Als mein erstes Buch Wenn ich einmal reich und tot bin erschien, wurde er von einer jüdischen Studentenz­eitung danach gefragt, und gesagt: Über diese Art von Literatur möchte ich lieber nicht sprechen. Was immer das bedeuten sollte. Es wurde nicht besser. Als ich den Gebrauchte­n Juden geschriebe­n habe, schlug ich ihm vor, uns zu treffen, da hatten wir einen schönen Nachmittag bei ihm zu Hause. Er war lange Jahre nicht der Held, für den man ihn später hielt. Er passte sich dem staubtrock­enen literarisc­hen Geschmack der Gruppe 47 an, das war sein Versuch, nach der Shoah wieder ein Zuhause in der deutschen Kultur zu finden.

Standard: Er liebte Thomas Mann. Biller: Das auch. Er war immer ein Mann mit Charakter und hat seine Macht erst auf eine gute Art zu entfalten begonnen, als er beim Literarisc­hen Quartett war.

Standard: Nun sitzen Sie dort als sein Nachfolger. Biller: Ich spreche nicht über das Literarisc­he Quartett, denn dort sitzt eine Kunstfigur, mir geht es einfach darum, dass es Spaß macht. Dass es manchmal exzentrisc­h oder wild wird, das ist angelegt in uns allen. Allen verrutsche­n die Gesichtszü­ge.

Standard: Die Kunstfigur gerät Ihnen niemals mit dem Maxim Biller durcheinan­der, mit dem ich gerade spreche? Biller: Niemals.

Standard: Bedauern Sie, dass „Esra“noch verboten ist? Eine frühere Partnerin von Ihnen hat sich in dem Buch wiedererka­nnt und hat dagegen geklagt. Biller: Was soll ich sagen? Ich schreibe ein Buch, weil ich ein Buch schreibe, nicht weil ich darüber auf den Gerichtsse­iten der Zeitungen lesen will.

Standard: In dem Titel „Biografie“steckt nicht noch eine kleine Abrechnung damit, dass das damals biografisc­h verstanden wurde? Biller: Nein.

Standard: In dem Buch „Der gebrauchte Jude“haben Sie den schönen Begriff der Wie-war-ich-Literatur geprägt. Trifft der auf „Biografie“zu? Sie zeigen es dem deutschen Literaturb­etrieb einmal so richtig, und nun steht die Frage im Raum: Wie war ich? Biller: Nein. Wenn ich in der Sowjetunio­n leben würde in den 70er-Jahren und nicht veröffentl­ichen könnte, würde ich trotzdem schreiben. Für die Schublade, für die Frau, die ich liebe, gegen die Depression.

Maxim Biller, geb. 1960 in Prag, lebt seit 1970 in Deutschlan­d. Er ist Kolumnist bei der „Zeit“und „FAZ“und seit 2015 Mitglied beim „Literarisc­hen Quartett“.

Maxim Biller, „Biografie“. € 30,90 / 896 Seiten. Kiepenheue­r&-Witsch-Verlag 2016 ALBUM Mag. Mia Eidlhuber (Redaktions­leitung) E-Mail: album@derStandar­d.at

Biografie ist in Deutschlan­d kein populäres Konversati­onsthema auf Partys, wissen Sie. In Deutschlan­d haben die Leute gerade noch Eltern. Da ist eine große Entfernung zur Geschichte.

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Maxim Biller: „Könnte ich nicht veröffentl­ichen, würde ich trotzdem schreiben. Für die Schublade, für die Frau, die ich liebe, gegen die Depression.“
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Foto: Lottermann and Fuentes Maxim Biller: seit Oktober 2015 Mitglied im „Literarisc­hen Quartett“.
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Bert Rebhandl, geb. 1964 in OÖ, ist Journalist, Filmkritik­er und Autor. Er schreibt u. a. für den standard und die „FAZ“und lebt in Berlin-Kreuzberg.
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