Regierung setzt schärferes Asylrecht im Eiltempo durch
Keine Begutachtung für Novelle geplant EU-Recht schon vor „Notstand“außer Kraft
Wien – Die Regierung plant eine Asylnovelle, mit der Bestimmungen des internationalen Flüchtlingsrechts außer Kraft gesetzt werden können. Dem STANDARD liegt ein Gesetzesentwurf vor, der kommenden Donnerstag in den Innenausschuss kommen soll, zusammen mit der Asyl-auf-Zeit-Novelle. Eine Begutachtung soll es laut Zeitplan nicht geben.
Das neue Gesetz soll ermöglichen, wegen „Gefahr für die öffentliche Sicherheit“eine Verordnung zu erlassen, auf deren Grundlage den meisten Flüchtlingen Asylverfahren in Österreich verwehrt werden. Die Anträge würden dann nur mehr in Ausnahmefällen geprüft. Grünen-Chefin Eva Glawischnig sprach von einem „absoluten Tabubruch“.
Innenministerin Johanna MiklLeitner (ÖVP) sagte bei einem Arbeitsbesuch in Rom, eine Grenzschließung am Brenner müsse abgewendet werden. (red)
Wien – Mit einem neuen Gesetz will sich die Bundesregierung dazu befugen, zentrale Bestimmungen des international verbrieften Asylrechts außer Kraft zu setzen. Der Entwurf liegt dem STANDARD vor.
Schon ab ersten Juni soll es demnach in Österreich die rechtliche Möglichkeit geben, „Sonderbestimmungen zur Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung und des Schutzes der inneren Sicherheit“zu erlassen: dann, wenn „auf Basis der Prognosen zur Entwicklung der Asylantragszahlen“mit „Funktionsstörungen“im Asylwesen und in anderen öffentlichen Bereichen zu rechnen sei. Angesichts von 90.000 Asylanträgen sei es bereits 2015 zu akuter Überlastung gekommen, heißt es in den Erläuterungen.
In der Folge könnte den allermeisten nach Österreich kommenden Flüchtlingen ein Asylverfahren verwehrt werden: Sobald die „Sonderbestimmung“in Kraft ist, dürften sie das Bundesgebiet nicht betreten oder müssten es wieder verlassen. Ausgenommen wären nur Menschen, die enge Angehörige in Österreich haben oder denen außerhalb Österreichs Folter und andere unmenschliche Behandlung droht.
Die Prüfung, ob ein Asylantrag eingebracht werden darf oder nicht, soll dann in neuen „Registrierzentren“an den Grenzen stattfinden. Dorthin sollen auch sämtliche Flüchtlinge gebracht werden, die innerhalb Österreichs angetroffen werden. Damit würde das bisher durchgehend geltende Prinzip des Rechts auf Inlandsantragsstellung in Asylverfahren außer Kraft gesetzt.
„Vertrauliches“Papier
All das ist einer zwischen SPÖ und ÖVP abgestimmten, „vertraulichen“Arbeitsversion der geplanten Novelle zu entnehmen. Diese hält sich im Wortlaut eng an die Expertise des Obergrenzen-Begutachters Walter Obwexer.
Das neue Gesetz soll ganz offensichtlich ohne Begutachtungsfrist (also ohne Meinungen von außen einzuholen) beschlossen werden: Bis Anfang Juni ist die Zeit für ein solches Verfahren zu kurz. „Eine derart fundamentale Gesetzesänderung ohne Begutachtung umsetzen zu wollen ist ein Skandal“, sagt Alev Korun, Menschenrechtssprecherin der Grünen.
Den Gesetzesentwurf nennt Herbert Langthaler von der Asylkoordination Österreich einen „beispiellosen Dammbruch“: „Wenn die Regierung einen Notstand ausruft, können Asylwerber ohne Bearbeitung ihres Antrags zurückgeschoben werden.“
Es würde ein Unterschied zwischen „einen Asylantrag stellen“und einem „eingebrachten Antrag“gemacht. Die sich so ergebende „Rechtsschutzlücke“solle in der geplanten Notstandsverordnung genutzt werden, „um Schutzsuchende ohne die Einleitung eines Asylverfahrens außer Landes zu schaffen“.
Konkret soll die Novelle laut SPÖ-Kreisen kommenden Donnerstag von der Regierung im Innenausschuss eingebracht werden. Die Novelle für Asyl auf Zeit und Verschärfungen bei der Familienzusammenführung soll durch das „Sonderbestimmungs“-Gesetz sozusagen ergänzt werden.
Ein Beschluss des Gesetzes allein wäre noch kein Verstoß gegen international geltende Menschenrechtsstandards und Europarecht – sehr wohl jedoch das konkrete Inkrafttreten einer Sonderbestimmungsversordnung, meint dazu Manfred Nowak, Menschenrechtsexperte der Uni Wien. Dann könnte die EU prüfen, ob der von Österreich behauptete AsylNotstand tatsächlich existiert: „Ich meine: wohl eher nicht.“