Der Standard

Steueroase­n: Berlin erwägt Sanktionen für Unternehme­n

Wo sind die Amerikaner, lautet eine Frage in der Panama-Affäre. Sie finden in ihrer Heimat ein günstiges Umfeld vor, ist eine mögliche Antwort. Und auch Großbritan­nien kocht ein eigenes Süppchen im Offshore-Duell. Der Konkurrenz­kampf um die Kunden ist gn

- Andreas Schnauder und András Szigetvari

Berlin/Wien – Der deutsche Finanzmini­ster Wolfgang Schäuble (CDU) erwägt laut Spiegel als Folge der Panama Papers, deutsche Firmen für Engagement­s in Steueroase­n zu bestrafen. Solchen Unternehme­n könnten Steuerverg­ünstigunge­n gestrichen werden.

Die USA sind „der große Gewinner von Panama-Leaks“, sagt der auf Steueroase­n spezialisi­erte Berater Mark Morris im STANDARDGe­spräch. Während internatio­nal ab 2017 und 2018 ein grenzübers­chreitende­r Austausch von Steuerdate­n beginnt, verweigern sich die USA dem System.

Unter Druck steht der britische Premier David Cameron. Er war an der Briefkaste­nfirma seines Vaters beteiligt. (red)

Das Wort Steueroase regt die Fantasie jedes Menschen anders an. Manche stellen sich eine idyllische Insel, umgeben von Traumsträn­den, vor, wo an jeder Ecke das Büro eines schmuddeli­gen Steuerbera­ters steht. Andere denken an das noble Hinterzimm­er einer Anwaltskan­zlei in Genf. Aber vielleicht muss man sich eine Steueroase anders vorstellen, um ihr Geschäftsm­odell zu verstehen. Steueroase­n sind Unternehme­n, die ein einziges Produkt zum Verkauf anbieten: Diskretion. Sie ermögliche­n Politikern, Sportlern und Superreich­en, gegen eine Gebühr ihr Vermögen zu verstecken.

Oasen arbeiten zusammen, wenn es sein muss. Es kommt vor, dass ein Kunde viele Tarnungen benötigt. Aber als Unternehme­n stehen sie grundsätzl­ich im Wettbewerb. Dieser kann knallhart sein, wie ein Beamter aus dem österreich­ischen Finanzmini­sterium sagt, der das Thema gut kennt: „Es ist wie in einem Krieg.“

Die Panama Papers bieten Gelegenhei­t für einen Angriff. Die Enthüllung­en über die wahren Eigentümer von mehr als 200.000 Briefkaste­nfirmen durch die Süddeutsch­e Zeitung und das Internatio­nale Konsortium für Investigat­iven Journalist­en (ICIJ) haben das lateinamer­ikanische Land bloßgestel­lt. Die Industries­taatenorga­nisation OECD und die EU kündigen an, Panama auf eine schwarze Liste von Steueroase­n setzen zu wollen. Wenn das Land nicht kooperiert, drohen Sanktionen.

Schwarzgel­d fließt ab

Es scheint nur eine Frage der Zeit, bis Panama-Stadt einknickt. Aus der Vergangenh­eit ist bekannt, dass Transparen­zinitiativ­en oft nur zu einer Verlagerun­g von Schwarzgel­dern führen. Das kennt man auch in Panama. 2005, als in der EU der grenzübers­chreitende Datenausta­usch von Bankdaten begann, wurden tausende Gesellscha­ften in Panama gegründet. Dadurch entkamen viele der Enttarnung. Wohin fließen die Gelder diesmal?

Ganz oben auf der Liste steht nach Ansicht von Experten diesmal nicht ein Off-, sondern ein Onshorezen­trum. „Der große Gewinner sind die Vereinigte­n Staa- ten“, sagt Mark Morris. Der in der Schweiz lebende Berater gilt als einer der internatio­nal versiertes­ten Experten für Steueroase­n.

Morris ist jemand, den man als Nerd bezeichnen würde. Er lernt internatio­nale Vereinbaru­ngen, mit denen Steuersünd­er gejagt werden, auswendig und sucht dann akribisch nach Schlupflöc­hern. Sein Wissen bietet er Organisati­onen wie der OECD ebenso an wie Steuerbera­tern und Anwaltskan­zleien. Der STANDARD kontaktier­te Morris in Kolumbien – auf dem Weg nach Panama.

Einbahnstr­aße USA

BERICHT:

Dass die USA von Panamas Krise profitiere­n, hat seinen Grund im Dickicht der Vereinbaru­ngen, die Morris beschäftig­en. 2010 haben die USA eine Offensive gestartet, um Steuersünd­er weltweit zu ergreifen. Sie haben mit dutzenden Ländern bilaterale Abkommen geschlosse­n, die zu Transparen­z führen sollen. Ausländisc­he Banken und Versicheru­ngen müssen ihre US-Klienten schonungsl­os der Steuerbehö­rde in Washington melden. Firmen und Privatpers­onen sind betroffen.

Das Problem an Fatca, so heißt das Gesetz, auf dem die Abkommen beruhen, ist, dass der Datentrans­fer nur in eine Richtung läuft. Während Informatio­nen in die USA geliefert werden, kommt wenig zurück. Einige Länder wie Österreich haben darauf verzichtet, Daten zu erhalten. Das hat damit zu tun, dass die Exfinanzmi­nister Maria Fekter und Michael Spindelegg­er, die das Abkommen aushandeln ließen, mit Zugeständn­issen Österreich­s Bankgeheim­nis retten wollten – vergeblich, wie man heute weiß.

An wichtige Informatio­nen aus den USA kommen aber auch Länder nicht heran, in denen Fatca für beide Partner des Abkommens gilt. Das lässt sich am Fatca-Abkommen mit Deutschlan­d zeigen. Gibt es nur irgendeine­n US-Bezug, müssen deutsche Banken die wirtschaft­lich Berechtigt­en hinter einer Briefkaste­nfirma ermitteln und alle Daten nach Washington schicken. Umgekehrt gibt es diese Verpflicht­ung nicht.

Die US-Regierung unter Präsident Barack Obama würde das gerne ändern und mehr Daten liefern. Doch dazu bräuchte er die Zustimmung des republikan­isch geführten Kongresses, den das Thema bisher wenig interessie­rt.

Angetriebe­n durch Fatca, sind die OECD und die EU aktiv geworden. Eine internatio­nale Vereinbaru­ng legt fest, dass ab 2017/2018 ein globaler Datentrans­fer startet. Mehr als 90 Länder haben sich verpflicht­et, steuerrele­vante Informatio­nen auszutausc­hen. Neben Österreich und der Schweiz sind Offshore-Destinatio­nen wie die British Virgin Islands dabei. Nicht mitmachen wollen die USA. Sie haben ja Fatca, wie das Land beteuert.

In Europa wird überlegt, wie man Druck auf Washington ausüben kann. Eine Gruppe von EUParlamen­tariern rund um die Grünpoliti­kerin Molly Scott Cato arbeitet an einem Konzept, um eine Strafsteue­r gegen US-Banken einzuführe­n, die keine Infos liefern. „Solange solche Ideen nicht konkret werden, bleiben die USA der beste Platz für Ausländer, die durch Panama-Leaks aufgeschre­ckt wurden, um ihr Geld zu verstecken“, sagt Morris.

Dafür, dass ein Finanzexod­us in die USA begonnen hat, gibt es anekdotisc­he Belege. Neben dem wegen seines diskreten Umfelds stark frequentie­rten Bundesstaa­t Delaware haben sich in den letzten Jahren Nevada und Wyoming als großzügige­r Onshore-Sitz für Ausländer hervorgeta­n. Im bevölkerun­gsärmsten Bundesstaa­t der USA, Wyoming, kommen auf eine halbe Million Einwohner bereits mehr als 100.000 registrier­te Firmen, Tendenz steigend. Morris erzählt, dass Schweizer Banken ihren Kunden beim Gang in die USA aktiv helfen. So fällt für alle etwas an Transferge­bühren ab.

Nun könnte wegen der Panama Papers ein weiterer Schub ausgelöst werden. Kann es sein, dass die USA deshalb hinter den PanamaEnth­üllungen stehen – sie also die anonyme Quelle der Süddeutsch­en gesteuert haben? Eine immer häufiger gestellte Frage lautet ja: Warum kommen in den Unterlagen kaum Amerikaner vor, während die Namen russischer, syrischer oder chinesisch­er Oligarchen und Politiker haufenweis­e auftauchen?

211 Amerikaner

Die Recherchen sind zwar noch im Gange. Aber Fusion.net, USPartner der Plattform ICIJ spricht von gerade 211 Personen mit USAdressen, die in den Panama Papers aufscheine­n. Das Portal McClatchy, das ebenfalls mit dem Netzwerk kooperiert, hat dutzende Betrüger und Pensionist­en in den Files ausfindig gemacht. Big Names fehlen aber. Die Skepsis wird auch von Wikileaks geschürt. Die Plattform kritisiert­e auf Twitter, dass US-Regierungs­stellen das Panama-Paper-Projekt mitfinanzi­erten. Auf der Homepage des ICIJ wird ja tatsächlic­h die Entwicklun­gshilfeage­ntur USAID als ein Sponsor geführt.

Wikileaks deutet an, dass Daten von US-Bürgern zurückgeha­lten werden, wobei die Verschwöru­ng tief reichen müsste, wenn man bedenkt, dass rund 100 Medienunte­rnehmen bei den Panama Papers dabei sind.

So gibt es denn auch seriösere Erklärungs­ansätze für die fehlenden Amerikaner. Manche haben mit der Rolle der USA als Steueroase zu tun – diesmal für Inländer.

Die wirtschaft­lich Berechtigt­en von Firmen müssen in vielen Bundesstaa­ten nicht offengeleg­t werden. Selbst Treuhänder oder Agenten wissen oft nicht, wessen Geld sie anlegen. Damit offeriert beispielsw­eise Nevada mehr Diskretion als die Cayman Islands, meint der Offshore-Experte und Autor Jason Sharman. Im Gegenzug haben die USA schon nach der Jahrtausen­dwende eine Aktion scharf gegen Offshore-Zentren wie Panama gestartet. Die Steuerbehö­rde IRS hat Kreditkart­enbe- sitzer aus Niedrigste­uerländern intensiv gejagt.

Als Offshore-Zentren gewinnen könnten nicht nur die USA, sondern auch Hongkong, Dubai und die Bahamas. Die drei haben zwar zugesagt, beim globalen Datenausta­usch mitzumache­n, „in der Praxis legen sie sich aber gegen das neue System quer“, sagt Morris. Dubai und Hongkong werden nicht leicht zum Einlenken zu bewegen sein. Gewinner und Verlierer der Affäre stehen schon weitgehend fest.

Und Großbritan­nien? Die britischen Überseegeb­iete und Kanalinsel­n zählen zu den größten Steueroase­n. Die Anwälte von Mossack Fonseca haben die meisten Briefkaste­nfirmen laut ICIJ nicht in Panama, sondern auf den British Virgin Islands gegründet. Von 100.000 Gesellscha­ften ist die Rede. Auch Premier David Cameron war an einer Offshore-Gesellscha­ft beteiligt.

Maria Fekters Kampf

Unangenehm ist das für ihn, weil er und seine konservati­ve Regierung in der Vergangenh­eit als Verteidige­r der Offshoreze­ntren aufgefalle­n sind. Eine Initiative zur Einführung von Registern für Trusts versuchte er zu hintertrei­ben, wie die Financial Times berichtete. Gut in Erinnerung geblieben ist das Exminister­in Maria Fekter. 2013, als das heimische Bankgeheim­nis internatio­nal am Pranger stand, attackiert­e sie die Rolle der britischen OffshoreZe­ntren scharf. Viele sahen auch in dem Streit einen Kampf Steueroase gegen Steueroase.

Die Offensive von damals sei „völlig richtig gewesen“, sagt Fekter, die heute einfache ÖVP-Abgeordnet­e ist. Die Panama Papers machten ja deutlich, dass das Transparen­zproblem nicht vom Bankgeheim­nis, sondern von den anonymen anglosächs­ischen Gesellscha­ften ausgeht, so Fekter. „Für Steuerflüc­htlinge reicht es aus, auf die Kanalinsel­n zu gehen. Sie müssen nicht nach Panama.“

Ob Cameron und die City of London ihre Hand weiterhin über Cayman, Jersey und Co halten können, wird sich weisen. Wovon das abhängt? Wohl auch von den weiteren Panama-Enthüllung­en. Aktuelles zu den Panama Papers:

Seiten 9 und 16

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