André Hellers marokkanisches Paradies
An diesem Wochenende wird der drei Hektar große, opulente Park des österreichischen Künstlers in der Nähe von Marrakesch eröffnet. Heller will damit ein klimatisches und soziales Refugium in der krisengeschüttelten Region schaffen.
DSchönster Blick
REPORTAGE:
ie Aprilnächte sind noch kalt im Ourikatal am Fuße des machtvollen, schneebedeckten Atlasgebirges. Untertags allerdings heizt die Sonne schon auf mitteleuropäischen Hochsommer. Doch Abdelaziz Aït Addi will sein dickes Sakko trotz erster Schweißperlen auf der Stirn nicht ausziehen. Der Bürgermeister der Großgemeinde Ourika in Hemdsärmeln? Geht gar nicht. Schließlich ist er gekommen, um André Heller dafür zu danken, dass er der Region weit über die Landesgrenzen hinaus Aufmerksamkeit verschafft.
Prachtvoll sei der Garten „Anima“, marokkanisch, mit internationalen Einsprengseln. Ebenso wichtig wie die Naturschönheit ist dem Bürgermeister allerdings die soziale Komponente. Zwar liegt Marokkos Pro-Kopf-Einkommen innerhalb der afrikanischen Staaten im oberen Bereich. Doch rund eine Million Marokkaner müssen mit weniger als einem Euro am Tag auskommen. Die Arbeitslosigkeit vor allem am Land ist hoch. Auch die Jungen aus Ourika müssen, wenn sie denn überhaupt Arbeit finden, nach Marrakesch auspendeln.
„Der Garten ‚Anima‘ trägt dazu bei, die Emigration nach Europa zwar nicht zu stoppen, aber einzudämmen, weil er den Menschen sinnvolle Arbeit gibt“, sagt der Bürgermeister. In Hochzeiten werkten bis zu 300 Gärtner, Bauarbeiter, Handwerker, vorwiegend Berber aus den umliegenden Dörfern, für Hellers Traum vom idealen Garten. Derzeit sind es immerhin noch dreißig, dazu kommen Zulieferanten, Handwerker. Ihr Monatseinkommen liegt zwischen dreihundert und sechshundert Euro, weit über dem marokkanischen Durchschnittsgehalt.
„Wenn man Menschen anständig entlohnt, Sozialversicherung und Gesundheitsvorsorge bezahlt, haben sie keinen Grund wegzugehen“, bestätigt Gregor Weiss, Generalmanager von Hellers „Anima“-Projekt. Auch Touristen, hofft der Bürgermeister, werden künftig ihr Geld nicht nur in Marrakesch ausgeben, sondern Station in dem kleinen Dorf Douar Sbiti machen, wo sich Hellers Paradiesgarten über die Fläche von 4,2 Fußballfeldern erstreckt. Shukran! Danke! Innig umarmt Abdelaziz Aït Addi zum Abschied den Grund seines Frohsinns, den wichtigsten und prominentesten Einwohner.
Der hat vor acht Jahren rund dreißig Kilometer außerhalb von Marrakesch, eine ehemalige, acht Hektar große Rosenfarm erworben – ein ausgedörrtes, durch Überdüngung totes Stück Land: „Da war nichts, keine Pflanze, nicht einmal ein Grashalm. Nur rote Erde“, erinnert sich Heller. „Aber es gab den schönsten Blick der Welt auf das Atlasgebirge. Und den wird es immer geben.“
Er ließ den trockenen Lehmboden austauschen und brachte innerhalb von sechs Jahren auf drei der acht Hektar eine anmutige Gartenschönheit namens „Anima“erblühen. Über konkrete Zahlen und Kosten spricht André Heller nicht, aber es ist nicht schwer zu raten: Sie sind hoch.
Gut im Abschiednehmen
„Ich würde das Letzte verkaufen, das ich habe, wenn es mir ein Lernen ermöglichen würde, das ich sonst nicht habe. Das Wichtigste ist doch, sich lernend zu verwandeln, weiße Flecken auf der Landkarte zu tilgen. Natürlich, wer eine Expedition macht, muss für die Ausrüstung Geld ausgeben. Und wenn man keine Sponsoren hat – und ich habe als Sponsor nur mein Wunschdenken, diesen Garten wahr werden zu lassen – dann muss man alles in die Waagschale werfen.“
Also warf er für sein neues Gartenreich einen Großteil seiner wertvollen Kunstsammlung in die Waagschale, ebenso sein Haus und den dazugehörigen, ebenfalls öffentlich zugänglichen Garten in Gardone am Gardasee. „Ich bin gut im Abschiednehmen. Wäre ich Frau Lot gewesen, ich hätte mich nicht umgedreht. Wer soll denn für meine Vorstellungen von Richtig und Falsch auf die Barrikaden steigen, wenn nicht ich?“
Dieser Park in Gardone, der von dem Naturforscher Arthur Hruska zu Beginn des vorigen Jahrhunderts angelegt und von Heller weiterfantasiert und mit Kunst verfeinert wurde, mag wie eine kleinere Übungswiese für seinen großen Lebenstraum gewesen sein. Doch nun wollte er etwas aus dem Nichts erschaffen, nur nach seinen Vorstellungen, „das ebenfalls vielleicht erst in hundert Jahren seinen Höhepunkt erreicht haben wird“.
Verschwenderische Fantasie
Aber er wollte doch auch selber „noch ein Stückl von der Pracht erleben und verzaubert sein von dem, was tatsächlich schon lebt, deshalb schaut der Park nicht aus wie ein Sechsjähriger, sondern wie ein Fünfzigjähriger“.
Dreißig 25 Meter hohe Palmen ließ er auf Tiefladern quer durchs Land, über Schotterwege und enge Passstraßen des Atlasgebirges nach Douar Sbiti bringen. Er verpflanzte alte, windschiefe Olivenbäume in seinen Garten und rettete gepeinigte, im Absterben