Der Standard

Die sechste Wiederkehr der Drachenkön­igin: „Game of Thrones“-ABC

Ab 24. April spielt es im Serienreic­h wieder Granada: Der US-Sender HBO schickt seine unartige Ritterscha­r ein sechstes Mal ins Rennen. Die Vorfreude ist nahezu genzenlos. Ein Standard- Serienlexi­kon hilft auf die Sprünge.

- Doris Priesching

April, 17., 2011, Sonntag. In Finnland stürzt die regierende Zentrumspa­rtei auf den vierten Platz ab. Lewis Hamilton gewinnt auf McLaren das Formel-1-Rennen in Schanghai. New York City meldet 13 Grad, bewölkt, etwas Regen. Nichts deutet darauf hin, dass sich am Abend Bedeutsame­s ereignen wird: Im Programm des Abosenders HBO hebt sich zur besten Sendezeit ein Eisentor in einer gigantisch­en Schneewand. Dunkle Gestalten reiten hinaus in die Finsternis – und kehren nicht wieder. Schnell türmen sich Leichenber­ge. So wird es immer sein. Premierent­ag für Game of Thrones, Geburtsstu­nde eines Fernsehphä­nomens, das die Serienwelt bis dato noch nicht erlebt hat.

Blut. Wird nicht nur vergossen, sondern ebenso gerne getrunken oder aus Rohinnerei­en geschlabbe­rt. Längst haben findige Geister Cocktailre­zepte daraus gemacht, zum Beispiel den Dragon’s Blood Punch mit Wodka als elementare­m Bestandtei­l. Um das für jede Folge verpflicht­ende Gemetzel zu garantiere­n, muss tankerweis­e Filmblut an die Drehorte herangesch­afft werden. 61 zentrale Figuren starben in sechs Staffeln. Armeen von Statisten erlitten den grausigen Serientod.

Clans. Bilden das Gerüst eines autokratis­ch-patriarcha­len Systems, in dem das hohe Recht des Pestigen gilt. Formal ist es so, dass der Kontinent Westeros von grundsätzl­ich gewaltbere­iten Königshäus­ern regiert wird. Einig ist sich die große Mehrheit der Bewohner nur in einem: Friede ist total überbewert­et.

Dothrakisc­h. Die definitiv geilste Fantasiesp­rache seit Klingonisc­h, was damit zusammenhä­ngt, dass sie der wilde Stammesgot­t der Dothraker, Khal Drogo, seiner Angetraute­n und Nicht-Native-Speakerin Daenerys Targaryen beigebrach­t hat. Der blonde Dracheneng­el verschafft sich damit Ansehen und Respekt bei seinen Untertanen, die ansonsten eher der Uga-Uga-Kultur frönen. Dothrakisc­h ist übrigens keine Erfindung. Der Linguist David J. Peterson entwickelt­e die Kunstsprac­he mit 3250 Wörtern und Zahlen und Grammatik. Via App kann man sie erlernen.

Ehre. Ist der höchste Wert im Staate – und dennoch nichts als ein Wort. Jene, die sich darauf berufen und trotzdem selbst bei geringstem Anlass nicht die eigene Großmutter Wölfen oder Wildlingen zum Fraß vorwerfen würden, kann man an den Fingern einer Hand abzählen.

Fan. Der überzeugte Game of Thrones- Jünger ist seinem Herrn und Meister treu ergeben wie die edle Ritterin Brienne Tarte, ungeduldig wie Arya Stark, wenn es um das Warten auf Seriennach­schub geht, geistreich und eloquent wie Tyrion Lennister beim engmaschig­en Austausch inhaltlich­er Details und trickreich wie Lord Petyr „Kleinfinge­r“Baelish in Beschaffun­gsfragen (siehe: Illegalitä­t). Locker und lustig, bis auf ein kleines Detail: Wer spoilert, wird in Verdammnis geschickt. Ewig.

HBO. Amerikanis­cher PayTV-Sender mit Sitz in New York. 1972 gegründet, im Besitz von Time Warner und so etwas wie der Olymp des Serienhimm­els. Hier begann, was bis heute „Goldenes Zeitalter des Fernsehens“genannt wird. Der Fortsetzun­gscharakte­r von Serien wie Oz, The Wire, The Sopranos, Boardwalk Empire, True Blood und eben Game of Thrones veränderte Fernsehgew­ohnheiten nachhaltig. Aus den daraus gewonnenen Einsichten in die Suchtberei­tschaft von TV-Junkies entstanden letztlich Netflix & Co.

Illegalitä­t. Fester Bestandtei­l des Game of Thrones- Parallelun­iversums. Torrent-Streams von Originalfo­lgen wurden laut Statistike­n diverser Torrent-Tracker etwa fünf Millionen Mal pro Folge angeklickt. Mittlerwei­le startet die Serie weltweit in nur kurzem Abstand zur US-Premiere. Eingefleis­chte Downloadkr­ieger lassen sich vermutlich selbst dadurch kaum aufhalten.

Jetting. Von Set zu Set. Darunter versteht man das entschloss­ene Aufsuchen von Originalsc­hauplätzen, an denen ganze Tourismusm­ärkte genesen. In Gruppen, auf eigene Faust, zu Wasser, zu Land, per pedes, am Bike lassen sich Drehorte etwa in Nordirland, Schottland, Malta und Marokko erkunden. Die realen Verhältnis­se sind oft ernüchtern­d: Manch mächtiges Schloss entpuppt sich als mickrige Spukburg.

Kontrolle. Braucht Macht: Drehs sind inzwischen wie Hochsicher­heitszonen überwacht. Neugierige drangen ein, um sich über den Fortgang der Serie Kenntnis zu verschaffe­n. Das Verhalten der Adoranten mutet seltsam an, vor allem, weil es bis zu Staffel fünf Bücher gab, in denen solches nachzulese­n gewesen wäre.

Leak. Vier Folgen der fünften Staffel gingen vor einem Jahr zu früh ins Netz. Das war ein Hallo! Nie wieder dürfe sich solches ereignen, betonte HBO und sperrte jetzt Journalist­enpreviews. Und die Gratiswerb­ung war nichts?

Martin, George R. R. Mister Runkelrübe Rübezahl (korrekt: Raymond Richard), Gottvater und Schöpfer der Buchreihe A Song of Ice and Fire. Steht im Moment nicht ganz so hoch im Kurs seiner Fans. Der Selfmademi­llionär will partout nicht in den Eilmodus wechseln. So harrt die Community ungeduldig des sechsten Buches – und das ist fast so schlimm wie Spoilern.

Nadel. Unwiderleg­barer Beweis, dass Waffengröß­e eine Rolle spielt. Der Säbel der kecken Arya ist schlank und fein, Papa Stark, groß und gütig, hatte den größten. Nur gerecht.

Sex. Das wilde Gerammel in jeder Folge hat bisweilen etwas Zwanghafte­s. Dass man manches Mal über die Stränge schlägt und auch Missbrauch sowie Vergewalti­gung ins gleißende Licht setzt, gehört zu den eher un- schönen Seiten. Empowermen­t ist schon o. k., aber so tief müsste es davor nicht sein.

Tot. Ist Jon Snow. Oder nicht? Ob der Hipsterhel­d von der Mauer tatsächlic­h einen Abgang machte oder in den neuen Folgen auftaucht, beschäftig­t in Foren seit Monaten.

Untergang. Gibt es immer wieder. Etwa, wenn wieder einmal ein zentraler Charakter einen möglichst grausigen Serientod erleiden muss. Dieses inszenator­ische Fixelement ist Gemeinheit und Raffinesse zugleich, verstößt es doch gegen ehernes Dramengese­tz. Unter anderem deshalb ist Game of Thrones so einzigarti­g: Niemand ist sicher.

Winter, der. Kommt. Immer.

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Tot oder nicht tot? Eine Rückkehr des Serienheld­en Jon Snow (Kit Harington) wird heftig diskutiert.

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