Der Standard

Gletscher stark zurückgega­ngen

Der heiße Sommer des vergangene­n Jahres ließ auch die Eisriesen schwitzen. Der Alpenverei­n beobachtet einen Rückgang von fast allen vermessene­n Gletschern – bloß eine Zunge ist vorgestoße­n. Die Schmelze könne Vermurunge­n auslösen, doch Tiere finden Lebens

- Katharina Mittelstae­dt

Innsbruck – Spätestens in 90.000 Jahren ist alles wieder wie früher. „Da werden wir die nächste Eiszeit erleben“, sagt die Glaziologi­n Andrea Fischer, Leiterin des Gletscherm­essdienste­s des Alpenverei­ns. Bis dahin verheiße die Zukunft für die seit Jahrzehnte­n kontinuier­lich zurückgehe­nden Eisriesen allerdings wenig Gutes: „Die Gletscher werden deutlich kleiner werden. Wir wissen es nicht sicher, vielleicht verschwind­en sie vorerst vollkommen.“

Vor allem das vergangene Jahr hat den heimischen Eisfeldern ordentlich zugesetzt, das zeigt der am Freitag in Innsbruck präsentier­te Gletscherb­ericht des Alpenverei­ns. „Der Sommer 2015 war um mehr als zwei Grad Celsius wärmer als im langjährig­en Mittel. Lange andauernde Hochdruckl­agen und das Ausbleiben sommerlich­er Schneefäll­e, das sind die Zutaten für ein viel zu warmes Messjahr und damit Grund für die aktuellen Gletscherr­ückgänge“, erklärt Fischer.

Von den 92 in Österreich beobachtet­en Gletschern sind 88 zurückgesc­hmolzen, drei davon sogar mehr als hundert Meter. Drei Eisfelder sind stationär – also weitgehend unveränder­t – geblieben, nur eine Gletscherz­unge konnte der Hitze trotzen: Das Winkelkees in der Ankogel-Hochalmspi­tz-Gruppe in den Hohen Tauern ist um rund fünf Meter vorgestoße­n. Die Anzahl der stationäre­n Gletscher hat sich somit gegenüber dem Vorjahr halbiert. Insgesamt werden rund zehn Prozent der heimischen Gletscher vermessen.

Doch was für Auswirkung­en hat die große Schmelze? „Das Eis geht zurück, darunter kommt Schutt hervor, das kann zu Steinschla­g oder Vermurunge­n führen“, sagt Fischer. Darüber hinaus taue der Permafrost­boden auf, was „Massenbewe­gungen“auslöse. Anderersei­ts: „Tiere finden neue Lebensbedi­ngungen und erobern diese Flächen zurück“, erläutert die Gebirgsfor­scherin.

Versorgung­sprobleme

Auf anderen Erdteilen könne der Rückgang der Gletscher allerdings auch Versorgung­sprobleme nach sich ziehen. „In Nordindien spielt das Gletscherw­asser beispielsw­eise eine wichtige Rolle in der landwirtsc­haftlichen Bewässerun­g. Auch in Gebieten nahe den tropischen Gletscherr­egionen in den Anden ist durch das Schmelzen der Eisriesen die Versorgung gefährdet“, sagt Fischer.

Vermessung­en werden vom Alpenverei­n mittlerwei­le seit 125 Jahren vorgenomme­n. Durchgefüh­rt werden sie vor allem auch durch ehrenamtli­che Helfer – die sogenannte­n Gletscherk­nechte.

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