Der Standard

Der schwierige Umgang mit polygamen Ehen

Justizmini­sterium: Im Ausland geschlosse­ne Mehrfacheh­en sind in Österreich nicht automatisc­h nichtig

- Günther Oswald

Wien – In Österreich ist die Rechtslage unmissvers­tändlich. Polygamie, also die Vielehe, ist laut dem heimischen Ehegesetz klar verboten. „Eine Ehe ist nichtig, wenn ein Teil zur Zeit ihrer Schließung mit einer dritten Person in gültiger Ehe oder eingetrage­ner Partnersch­aft lebte“, heißt es in Paragraf 24.

Wie aber geht Österreich mit Zuwanderer­n um, die im Ausland rechtmäßig polygame Ehen eingegange­n sind? Schließlic­h ist es in einigen afrikanisc­hen und arabischen Ländern erlaubt, zwei oder mehr Frauen zu heiraten. Darauf wollte die Team-Stronach-Abgeordnet­e Martina Schenk im Rahmen einer parlamenta­rischen Anfrageser­ie Antworten.

Jene des Justizmini­steriums zeigt, dass das Thema juristisch nicht ganz einfach ist. Wenn eine Mehrfacheh­e nämlich im Herkunftsl­and zulässig war, so ist „rein theoretisc­h“in Österreich „kein Nichtigkei­tsgrund gegeben“, wie das Ressort von Minister Wolfgang Brandstett­er (ÖVP) schreibt. Allerdings ist dabei noch das internatio­nale Privatrech­t zu berücksich­tigen. Laut diesem sind Bestimmung­en dann nicht anzuwenden, wenn sie mit den „Grundwertu­ngen der österreich­ischen Rechtsordn­ung unvereinba­r“sind.

Im Einzelfall prüfen

Die Gerichte in Österreich müssten also im Einzelfall prüfen, ob diese Unvereinba­rkeit gegeben ist. Je stärker der Inlandsbez­ug ist – etwa in Form eines gewöhnlich­en Aufenthalt­s –, „desto weniger werden befremdlic­he Ergebnisse der Anwendung ausländisc­hen Rechts hingenomme­n“, meint das Justizmini­sterium.

In Deutschlan­d sind beispielsw­eise polygame Ehen dann anzuerkenn­en, wenn es um Ansprüche (Alimente) der beiden Ehefrauen gegen den Mann geht. Ein solcher Fall könnte in Österreich durchaus ähnlich entschiede­n werden. Nach Auskunft des Justizmini­steriums sind nämlich Kinder aus Vielehen, die im Ausland rechtsgült­ig geschlosse­n wurden, „in der Regel als ehelich anzusehen“. Nach österreich­ischem Recht würden nämlich auch Kinder aus nichtigen Ehen als ehelich gelten. Generell gebe es bisher aber kaum Judikatur zu dem Thema, heißt es.

Nichtigkei­tsklagen

Der STANDARD wollte vom Ressort auch wissen, wie häufig der Staat Nichtigkei­tsklagen im Zusammenha­ng mit Polygamie einleitet. Neben den aktuellen und früheren Partnern darf schließlic­h auch die Staatsanwa­ltschaft Anträge auf Nichtigkei­t von Ehen stellen. Statistike­n dazu liegen allerdings nicht vor. Zudem geht eine Sprecherin davon aus, dass der Hauptanwen­dungsfall der Nichtigkei­tsklagen klassische Heiratssch­windler seien. Aber wie gesagt: Konkrete Zahlen gibt es nicht.

Juristisch klar ist laut Innenminis­terium: Ein Ehemann darf im Rahmen der Familienzu­sammenführ­ung keine Zweit- oder Drittfraue­n nach Österreich nachholen. In diesem Fall würde laut Innenresso­rt ein klarer Widerspruc­h zu den „Grundwerte­n der österreich­ischen Rechtsordn­ung“vorliegen. Selbiges gelte auch für Ehen mit Minderjähr­igen. Denn: Ein Ehepartner, der im Rahmen der Familienzu­sammenführ­ung nach Österreich kommen will, muss das 21. Lebensjahr bereits vollendet haben.

Wissen wollte Team-StronachAb­geordnete Schenk auch noch, ob es Zahlen dazu gibt, wie viele Zweit- oder Drittfraue­n am Arbeitsmar­kt integriert sind oder von Sozialhilf­e leben. Auch dazu gibt es allerdings keinerlei Daten- material, wie das Sozialmini­sterium von Alois Stöger (SPÖ) mitteilte. Aus Sicht des Ressorts besteht auch „kein Bedarf nach einer Erhebung solcher Daten“.

Alle involviert­en Ministerie­n sind einig: Die aktuelle Rechtslage sei ausreichen­d.

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