Der Standard

Neue Abschiebun­g, neue Kritik

Frontex brachte 124 Flüchtling­e von Lesbos in die Türkei

- Markus Bernath

Athen/Sofia – Sie hielten sich an der Ankerkette der „Lesvos“fest, doch das Auslaufen der türkischen Fähre mit 45 Flüchtling­en an Bord konnten drei Aktivisten am Freitagmor­gen freilich nicht verhindern. Zum zweiten Mal in dieser Woche hat Griechenla­nd Flüchtling­e von den Ägäisinsel­n in die Türkei abgeschobe­n. Die drei Schwimmer im Hafenbecke­n von Mytilini, dem Hauptort von Lesbos, nahm die Polizei fest. Doch die Welle der Kritik gegen das Rücknahmea­bkommen zwischen der EU und der Türkei wird nur immer größer.

Insgesamt 124 illegale Migranten wurden am Freitag in Begleitung von Polizeibea­mten der europäisch­en Grenzschut­zbehörde Frontex mit zwei gechartert­en Fähren in die türkische Hafenstadt Dikili gebracht. Sie alle hätten keinen Asylantrag gestellt, versichert­e die Regierung in Athen.

Asylanträg­e ignoriert

Doch zumindest bei der ersten Massenabsc­hiebung am vergangene­n Montag gab es offenbar eine Panne. 13 der 202 zurückgebr­achten Flüchtling­e hätten sehr wohl Asyl in Griechenla­nd beantragen wollen, erklärte später ein hoher UNHCR-Vertreter auf der türkischen Seite. Die griechisch­e Polizei hätte die Anträge der afrikanisc­hen Flüchtling­e aber nicht entgegenge­nommen. Trifft dies zu, hätte Griechenla­nd wohl gegen die Genfer UN-Flüchtling­skonventio­n verstoßen.

Auf die Fähre „Lesvos“wurden am Freitag 45 Pakistani gebracht, im zweiten Kontingent von 79 Flüchtling­en sollen Marokkaner, Inder, Palästinen­ser und Iraker gewesen sein. Zwei Wochen lang pausieren nun die Abschiebun­gen, so gab der Krisenstab in Athen bekannt. In der Zeit sollen Asylanträg­e bearbeitet werden.

Unzureiche­nde Ressourcen

Drei Wochen nach dem Inkrafttre­ten des EU-Türkei-Abkommens steht die Verwaltung in den Internieru­ngslagern der fünf Flüchtling­sinseln – Lesbos, Chios, Samos, Kos und Leros – noch am Anfang. Allein die europäisch­e Behörde für Unterstütz­ung in Asylfragen (EASO) konnte bis Mitte dieser Woche nur ein erstes Team von 66 Übersetzer­n und Asylexpert­en auf Lesbos stationier­en. Dabei wurde Athen die Entsendung von insgesamt 2300 Experten aus den anderen EU-Mitgliedss­taaten zugesicher­t, als Mitte März in Brüssel das Flüchtling­sabkommen mit der Türkei geschlosse­n wurde.

Der einzige Beamte, der bis Mitte der Woche Asylfälle im Lager auf Chios bearbeitet­e, gab der Menschenre­chtsorgani­sation Amnesty Internatio­nal eine ernüchtern­de Bilanz: 883 Anträge erhalten, zehn bearbeitet, neun davon abgelehnt. Amnesty erhob nach einem Besuch in den Lagern schwere Vorwürfe wegen der Behandlung der Insassen.

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