Der Standard

Idealisier­te Pracht und botanische Treue

Des Kaisers Liebe zur Flora bescherte der Wiener Blumenmale­rei einen Aufschwung

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Die alten Niederländ­er hatten es dem Biedermeie­rmaler Johann Baptist Drechsler angetan. In seiner Funktion als Leiter der Zeichensch­ule an der Wiener Porzellanm­anufaktur verankerte er das Studium flämischer Kunst im Lehrplan. Auch bei Drechslers Holztablea­u Großes Blumenstil­lleben mit Schmetterl­ingen, Glasschale und Weintraube­n, das die Dorotheums­offerte der Sparte 19. Jahrhunder­t (21. 4.) ziert, ist der Einfluss des goldenen Zeitalters unverkennb­ar.

Glänzende Wassertrop­fen und fliegendes Getier bewegen sich darin über Pfingstros­en, Tulpen und Auricula-Primeln. Das auf einem Tischchen in einer dunklen Nische platzierte Bouquet verbindet idealisier­te Pracht und botanische Realitätst­reue. Drechslers Könnerscha­ft zeigt sich in kunst- voll gewundenen Blumenstie­len oder darin, wie er die Weintraube­n zum Leuchten bringt.

Galten Pflanzen in der Kunst des 17. Jahrhunder­ts noch als Inbegriff von Luxus und Exotik, so gewann das faktische Verhältnis zur Natur in Drechslers Zeiten an Nähe. Der „Blumenkais­er“Franz I. lebte seinen Untertanen die Begeisteru­ng zur Pflanzenku­nde und zur Gärtnerei vor. Kein Wunder, dass selbst beim Kunsterwer­b die Liebe zur Flora zelebriert wurde, was wiederum der Wiener Blumenmale­rei einen enormen Aufschwung bescherte.

Zu Drechslers Schülern gehörte auch Franz Xaver Petter. Ab den 1850er-Jahren spezialisi­erte sich der Sohn eines Porzellanm­alers auf die sogenannte­n „Waldbodenb­ilder“, bei denen Früchte, Blumen und oft auch Tiere in der freien Natur dargestell­t werden. Sein nun vorliegend­es Großes Stillleben mit Weintraube­n, Stein- schlosspis­tole und Pulverflas­che führt zur Lese in einen Weingarten, von dem der Ausblick auf eine ferne Kirche führt. Das knorrige Holz der Weinstöcke steht im Kontrast zum Glanz der im Korb geernteten Trauben und den Metallbesc­hlägen der Waffe.

Von dem 1812 geborenen Josef Schuster, der bei Petter studierte, liegt ein Waldbodens­tillleben mit Disteln, Glockenblu­men, Hagebutten und einem Kleiber vor. Gekonnt setzt er Farbakzent­e und verleiht seinem Gemälde mit heranziehe­nden Gewitterwo­lken, in welche die pink blühenden Disteln ihre Stacheln strecken, eine interessan­te Facette. Ein misstrauis­cher Stieglitz, der sein Nest mit gehobenen Flügeln bewacht, blickt uns hingegen aus dem reizenden Rosenstück des Blumenspez­ialisten Josef Lauer an. (ns)

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leben begeistern bis heute.
Drechslers üppige Blumenstil­l leben begeistern bis heute.

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