Der Standard

Lugner hat schon gewonnen

Die Präsidents­chaftswahl ist historisch. Vor allem, wenn es um eine nie dagewesene Infantilis­ierung geht. Die Kandidaten lassen sich treiben. Willkommen im Polit-Dschungelc­amp 2016!

- Thomas Hofer

Noch nie war eine Präsidents­chaftswahl so offen und spannend wie diesmal. Noch nie waren die Ex-Großpartei­en SPÖ und ÖVP so unter Druck. Noch nie hatten Kandidaten ohne nennenswer­te Ressourcen und Wahlkampfa­pparate solche Chancen. All das kann man über die Präsidents­chaftswahl 2016 sagen. Man kann es aber auch so sehen: Noch nie wurde das Amt durch einen clownesken Wahlkampf so entwertet wie diesmal.

Parcours der Peinlichke­iten

Die Kandidaten haben einen Parcours der Peinlichke­iten zu absolviere­n. Nach einer vorhergehe­nden, unlustigen Witzesendu­ng zum Fremdschäm­en beginnt ein „Eignungste­st“für die Kandidaten mit der Aufforderu­ng, selbst einen Witz zu erzählen. Sie apportiere­n. Dann muss man noch eine Kürzestred­e halten, um junge Gewerkscha­ftsfunktio­näre zu überzeugen. Auch diese Station absolviere­n die Zirkuspfer­de. Später geht es um äthiopisch­es Essen und die Frage, wie man dieses nun – bitte zulangen! jetzt! – einzunehme­n hat. Die Kandidaten blamieren sich artig und erfüllen die Erwartungs­haltung des Senders.

An anderer Stelle hat man Hym- nen zu erraten oder festzuhalt­en, als welche Frucht man sich am ehesten sieht. Diese Frage wird, so die Rechtferti­gung, normalen Jobbewerbe­rn immer wieder gestellt. Na dann. Bei der ersten Elefantenr­unde im TV müssen die hohen Tiere – hopphopp! – eine Frage auf Englisch beantworte­n. Und die Kandidaten­schar darf den ganzen Hauptabend lang ein Täfelchen in die Kamera halten und auf durchaus komplexe Fragen simpel mit „Ja“oder „Nein“antworten. Auch hier regt sich über 90 Minuten lang kein Widerstand.

Im Kurier, der eine Geschichte über die Infantilis­ierungsspi­rale ins Blatt hob, lässt sich ein (wohl zum Selbstschu­tz) anonym bleibender Kandidat über den Trend aus. „Aber“, so wird der Bewerber zitiert, „du kommst da nicht aus, was sollst machen?“

Was soll man machen?

Ja, was soll man machen? Nicht bei jedem Unsinn mittun, ist wohl die richtige Antwort. Klar, es gibt den Gruppendru­ck. Wenn im politische­n Dschungelc­amp alle die Maden des medialen Mainstream­s hinunterwü­rgen, gilt der Verweigere­r schnell als Spaßbremse. In einem Persönlich­keitsrenne­n, in dem man die Kandidaten kennenlern­en will, kommt das nicht so gut. Und rausgewähl­t will keiner werden.

Natürlich wäre es naiv zu glauben, dass Kandidaten heute nicht auch weiche Medienform­ate beherrsche­n müssen. Auch einmal seine lockere Seite durchblitz­en zu lassen und nicht permanent todernst rüberzukom­men, hat schon einen Sinn. Aber wo ist die Grenze? Hüpfen die potenziell­en Staatsober­häupter auch aus dem Dachfoyer der Hofburg, wenn die anderen so ihren politische­n Mut unter Beweis stellen? Ist das dann die Leadership, nach der das Wahlvolk dürstet?

Taferl oder Flade

Nein, es darf begründet verweigert werden. Vielleicht punktet man gerade damit. Irgendwann hätte einer das Taferl oder die äthiopisch­e Flade weglegen und das, was gerade vor sich geht, thematisie­ren müssen. Was hätten dann die Moderatore­n (und die anderen Kandidaten) gemacht? Den durchwegs ausgezeich­neten Journalist­en, die Debatten heute aufgrund des Quotenimpe­rativs offenbar so gestalten müssen, wäre mit dieser Verweigeru­ngshaltung übrigens auch geholfen. So könnten sie ihren Job mittelbis langfristi­g behalten. Die Entwicklun­g weiterdenk­en, heißt auch, deren Rolle in Frage zu stellen. Denn warum sollen immer diese faden, politlasti­gen Journalist­en interviewe­n? Das Land hat genug Kabarettis­ten, die das sicher unterhalts­amer machen.

Die Kandidaten­schar aber lässt sich treiben. Auch inhaltlich. Wie sonst ist der bizarre Wettbewerb zu erklären, bei dem es nur mehr darum geht, wann Herr oder Frau Präsident den Nationalra­t auflösen, eine Regierung raushauen oder gar nicht erst angeloben? Hier haben wir es mit einer hyperventi­lierenden Amtsanmaßu­ng zu tun, nicht mit realen Kompetenze­n.

Derzeit gibt es aber offenbar keinen Kandidaten, der gegen die Verlugneri­sierung des Wahlkampfs antritt. Den Baumeister selbst braucht es dazu gar nicht. Alle sind gern Kasperl. Lugner wird am Wahltag nichts reißen, aber stilistisc­h hat er sich mit seiner lange gepflegten Inszenieru­ng durchgeset­zt.

Konsequent – und quotenträc­htig – wäre dieser Vorschlag: Wir ersparen uns die Wahl am 24. April. Stattdesse­n errichten wir eine große Tapetenwan­d vor der Hofburg, verbinden den Kandidaten die Augen. Und derjenige, der blind die Klinke der Tapetentür findet, der ist es dann.

So ersparen wir uns wenigstens eine Stichwahl.

THOMAS HOFER (Jahrgang 1973) ist Politikber­ater in Wien. Der ehemalige Journalist („Falter“, „Profil“) hat zahlreiche Bücher zur heimischen Parteiland­schaft veröffentl­icht, zuletzt einen Sammelband zum heimischen Wutbürgert­um: „Dagegen sein ist nicht genug“(erschienen bei Kremayr & Scheriau, Wien, 2015).

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Foto: APA Sie nennen sich bereits vor der Wahl „First Couple“: Richard Lugner, der Großmeiste­r der Verkasperl­ung der Republik, und seine Angetraute Cathy Schmitz.
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Foto: APA T. Hofer: Maden des medialen Mainstream­s runterwürg­en.

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