Der Standard

Wettbewerb um Mittel statt Wettbewerb der Standpunkt­e?

Eine Replik auf Christian Keuschnigg

- Stefan Schiman

Täter. Warum ist man hier so inkonseque­nt? Was will man damit unbewusst aussagen? Gibt es denn keine Schlepperi­nnen und keine Straftäter­innen?

Personen, die in der Öffentlich­keit stehen, sollten entweder konsequent die weibliche und männliche Form oder eben nur die männliche Form ausspreche­n. Denn wer sich der geschlecht­sneutralen Ausdrucksw­eise bedient, sollte diese auch bei den Schlepperi­nnen und Täterinnen anwenden, alles andere ist verwirrend und unpräzise. Harald Königstorf­er

4020 Linz

Christian Keuschnigg postuliert in seinem Gastkommen­tar im STANDARD vom 7. 4. („Ideenfeuer­werke statt bestellter Wahrheiten“) die beiden Prinzipien Wettbewerb und Unabhängig­keit als Bedingunge­n für ein gutes Funktionie­ren von Wirtschaft­sforschung. Er behauptet, beide seien in Österreich derzeit nicht gegeben, und schließt daraus, dass es eine Reform der Finanzieru­ng brauche. Dabei aber wird der gelebte „interne“Wettbewerb von Professor Keuschnigg unterschla­gen. Sein Vorschlag würde die Unabhängig­keit der Institute nicht stärken.

Laut Keuschnigg würde der angeblich geringe Wettbewerb unter Wirtschaft­sforschung­sinstitute­n dazu führen, dass ein „unsinkbare­s Schiff“den Markt dominiere. Diese Darstellun­g ist falsch. Einerseits wurden in den letzten Jahren durchaus einige neue Wirtschaft­sforschung­sinstitute in Österreich gegründet. Anderersei­ts ist der Marktführe­r (das Wifo, auf das er anspielt) kein unsinkbare­s Schiff, sondern vielmehr eine gut organisier­te Flotte, deren Stärke die Kleinteili­gkeit nach innen (im Sinne von Meinungs- und Methodenvi­elfalt) und die Geschlosse­nheit nach außen ist; zudem auch die Souveränit­ät ihrer einzelnen Schiffe (flache Hierarchie).

Mit einer, wie von Keuschnigg gefordert, wettbewerb­lich organisier­ten Grundfinan­zierung wären derlei Strukturen nicht zu erhalten. Der Wettbewerb der Standpunkt­e würde dem Eintreiben von Drittmitte­ln geopfert. Alle passen sich dem Mainstream an, da dies die größten Erfolgsaus­sichten bei der Mittelverg­abe verspricht. Mehr Wettbewerb um Finanzen führt zu weniger Wettbewerb um inhaltlich­e Standpunkt­e.

Die scheinbar hehre Forderung nach mehr Wettbewerb hat ja profane Gründe: Nachdem Keuschnigg als IHS-Chef abtrat, weil er an der Neustruktu­rierung des Instituts scheiterte und ihm die Belegschaf­t das Vertrauen entzog, möchte er nun sein eigenes Institut gründen und fordert sogleich eine „Anschubfin­anzierung für Start-ups“. Dieses fischt dann nach Mitteln der neu organisier­ten Grundfinan­zierung; ein paar Krumen würden immer abfallen. Der Vorschlag würde zur Kannibalis­ierung der Institute führen.

Zweitens fordert Keuschnigg mehr fachliche Unabhängig­keit. Diese ist aber durch die von ihm kritisiert­e Grundfinan­zierung durch das Finanzmini­sterium, die OeNB und die Sozialpart­ner besser gewährleis­tet als durch eine andere Grundfinan­zierung. Denn die Politik wäre in der medialen Öffentlich­keit unter viel stärkerem fachlichem Rechtferti­gungsdruck, falls sie die Finanzmitt­el empfindlic­h kürzen würde, als ein vermeintli­ch unabhängig­er Fonds, der mal hier, mal da „Grundfinan­zierungen“vergibt. Wichtiger wäre es, die Finanzieru­ngsquellen der Institute offenzuleg­en. Während einige von ihnen nur über sehr einseitige Finanzieru­ngsressour­cen verfügen dürften, die eine unabhängig­e Politikber­atung unglaubwür­dig erscheinen lassen, ist es bei anderen gänzlich unklar, ob sie ihre Mittel von Stiftungen, Einzelpers­onen oder anderen Institutio­nen beziehen. Der Marktführe­r verfügt hingegen über eine sehr breite Finanzieru­ngsbasis, die ausgewogen­e Politikber­atung ermöglicht. Letztlich muss er im Wettkampf der Ideen reüssieren, um die Gunst seiner Förderer zu erhalten.

STEFAN SCHIMAN ist wissenscha­ftlicher Mitarbeite­r am Wifo in Wien.

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Politikber­atung.“
Foto: Wifo Stefan Schiman: „Ausgewogen­e Politikber­atung.“

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