Wettbewerb um Mittel statt Wettbewerb der Standpunkte?
Eine Replik auf Christian Keuschnigg
Täter. Warum ist man hier so inkonsequent? Was will man damit unbewusst aussagen? Gibt es denn keine Schlepperinnen und keine Straftäterinnen?
Personen, die in der Öffentlichkeit stehen, sollten entweder konsequent die weibliche und männliche Form oder eben nur die männliche Form aussprechen. Denn wer sich der geschlechtsneutralen Ausdrucksweise bedient, sollte diese auch bei den Schlepperinnen und Täterinnen anwenden, alles andere ist verwirrend und unpräzise. Harald Königstorfer
4020 Linz
Christian Keuschnigg postuliert in seinem Gastkommentar im STANDARD vom 7. 4. („Ideenfeuerwerke statt bestellter Wahrheiten“) die beiden Prinzipien Wettbewerb und Unabhängigkeit als Bedingungen für ein gutes Funktionieren von Wirtschaftsforschung. Er behauptet, beide seien in Österreich derzeit nicht gegeben, und schließt daraus, dass es eine Reform der Finanzierung brauche. Dabei aber wird der gelebte „interne“Wettbewerb von Professor Keuschnigg unterschlagen. Sein Vorschlag würde die Unabhängigkeit der Institute nicht stärken.
Laut Keuschnigg würde der angeblich geringe Wettbewerb unter Wirtschaftsforschungsinstituten dazu führen, dass ein „unsinkbares Schiff“den Markt dominiere. Diese Darstellung ist falsch. Einerseits wurden in den letzten Jahren durchaus einige neue Wirtschaftsforschungsinstitute in Österreich gegründet. Andererseits ist der Marktführer (das Wifo, auf das er anspielt) kein unsinkbares Schiff, sondern vielmehr eine gut organisierte Flotte, deren Stärke die Kleinteiligkeit nach innen (im Sinne von Meinungs- und Methodenvielfalt) und die Geschlossenheit nach außen ist; zudem auch die Souveränität ihrer einzelnen Schiffe (flache Hierarchie).
Mit einer, wie von Keuschnigg gefordert, wettbewerblich organisierten Grundfinanzierung wären derlei Strukturen nicht zu erhalten. Der Wettbewerb der Standpunkte würde dem Eintreiben von Drittmitteln geopfert. Alle passen sich dem Mainstream an, da dies die größten Erfolgsaussichten bei der Mittelvergabe verspricht. Mehr Wettbewerb um Finanzen führt zu weniger Wettbewerb um inhaltliche Standpunkte.
Die scheinbar hehre Forderung nach mehr Wettbewerb hat ja profane Gründe: Nachdem Keuschnigg als IHS-Chef abtrat, weil er an der Neustrukturierung des Instituts scheiterte und ihm die Belegschaft das Vertrauen entzog, möchte er nun sein eigenes Institut gründen und fordert sogleich eine „Anschubfinanzierung für Start-ups“. Dieses fischt dann nach Mitteln der neu organisierten Grundfinanzierung; ein paar Krumen würden immer abfallen. Der Vorschlag würde zur Kannibalisierung der Institute führen.
Zweitens fordert Keuschnigg mehr fachliche Unabhängigkeit. Diese ist aber durch die von ihm kritisierte Grundfinanzierung durch das Finanzministerium, die OeNB und die Sozialpartner besser gewährleistet als durch eine andere Grundfinanzierung. Denn die Politik wäre in der medialen Öffentlichkeit unter viel stärkerem fachlichem Rechtfertigungsdruck, falls sie die Finanzmittel empfindlich kürzen würde, als ein vermeintlich unabhängiger Fonds, der mal hier, mal da „Grundfinanzierungen“vergibt. Wichtiger wäre es, die Finanzierungsquellen der Institute offenzulegen. Während einige von ihnen nur über sehr einseitige Finanzierungsressourcen verfügen dürften, die eine unabhängige Politikberatung unglaubwürdig erscheinen lassen, ist es bei anderen gänzlich unklar, ob sie ihre Mittel von Stiftungen, Einzelpersonen oder anderen Institutionen beziehen. Der Marktführer verfügt hingegen über eine sehr breite Finanzierungsbasis, die ausgewogene Politikberatung ermöglicht. Letztlich muss er im Wettkampf der Ideen reüssieren, um die Gunst seiner Förderer zu erhalten.
STEFAN SCHIMAN ist wissenschaftlicher Mitarbeiter am Wifo in Wien.