„The World“: Thomas Feuerstein in der Galerie Thoman
„Utopie Wohnraum“in der Galerie Bechter Kastowsky
Wien – Thomas Feuerstein verfolgt eine Philosophie des Schleims: „Das Fließende verbindet uns Menschen. Wir lösen uns im Schleim auf und vermengen unsere Zellsäfte. Wäre uns bewusst, dass wir alle ein Plasma, ein einziger wabernder Biofilm sind, wären alle Kriege vorüber“, heißt es in seiner Science-Fiction-Erzählung Sternenrotz. Daimon Cult. Es wäre schön, wenn er recht behielte. Auch damit: „Die Veränderung der Gesellschaft beginnt bei den kleinen Dingen. Es braucht keinen Totalitarismus, es braucht den Minimalismus der Moleküle.“
Der Schleim, den die am Foto so clean und adrett wie eine LaborApparatur wirkende Accademia dei Secreti in der Galerie Thoman dann allerdings so unaufhörlich ausspuckt wie der breikochende Zaubertopf im Grimm’schen Märchen, ist nicht einfach nur wabbelig und eklig. Nein, es handelt sich auch noch um eine psychotrope Substanz, die in Sternenrotz zur „Reparatur und Erneuerung des Menschen“eingesetzt wird, wirkt also auch auf einer zweiten Ebene heilend. Feuerstein, für den die Auseinandersetzung mit Wissenschaft „unabdingbar“ist, hat das in der Natur nicht vorkommende Molekül Psilamin gemeinsam mit einem Chemiker und einem Biologen erfunden. Stark vereinfacht gesprochen ist die kleinste Skulptur der Welt – mit großem UtopieÜberbau – aus Chlorella-Algen und Träuschling-Pilzen gebaut.
War die Skulptur in Feuersteins Ausstellungsreihe Psychoprosa Höhepunkt eines gluckernden, tropfenden Schleimuniversums, ist sie hier nur ihr einsamer Stellvertreter. Die ganze Wiener Präsentation krankt an dieser Art von Best-of-Inszenierung, denn Feuersteins Kunst-Wissenschaftswelten sind alle zu komplex, um in mehrere gleichzeitig einzutauchen.
Bis 23. 4., Galerie Thoman Seilerstätte 7, 1010 Wien www.galeriethoman.com Wien – Der Bauwagen von Peter Lustig in der 1980er-Kindersendung Löwenzahn war quasi ein Vorläufer der Tiny-House-Bewegung: Insbesondere in den USA sind die kleinen, manchmal mobilen Wohneinheiten Trend. Es geht um ein ökologisch motiviertes Gesundschrumpfen, um das Führen eines simpleren Lebens. In Österreich, wo die Frage der Zersiedelung gleichzeitig eine heikle ist, wird die ungebrochene Sehnsucht nach dem trauten Eigenheim, sei es noch so klein, daher stets auch mit Argwohn betrachtet.
Beim Ruf nach mehr Wohnraum wird es also schnell, nicht erst durch die derzeit dringliche Notwendigkeit Wohn- und Schlafraum für Flüchtlinge zu schaffen, politisch. Denn der Wunsch nach Behausung trifft sich mit dem ureigensten Begehr nach Rückzugsmöglichkeit und – freilich – dem Bedürfnis nach Schutz.
Und schon ist man mittendrin in der Utopie Wohnraum, einer kleinen Gruppenschau in der Wiener Galerie Bechter Kastowsky: Um das nicht als Grundrecht verankerte Recht auf Wohnen geht es im kecken 48-Stunden-Projekt one day home von Manfred Grübl und Werner Schrödl: Angeregt durch das auf osmanischem Gewohnheitsrecht basierende Gecekondu-Gesetz für „über Nacht“Gebautes, zimmerten sie eine Behausung und setzten ihr provokantes „Darf-das-Stehenbleiben?“später auch am See aus.
Träume sind Schäume, das gilt erst recht für Lorenz Estermanns Papp-Sperrholz-Paradiese: Seine von Bushäuschen oder Kiosken inspirierten Boxen wollen nichts anderes sein als Modelle. Fritz Panzers dreidimensionale Drahtzeichnungen rücken hingegen vertraute Räume in den nicht greif- oder nutzbaren Bereich. Und Aldo Gianotti bringt pervertierte Architekturwünsche karikaturesk zu Papier. (kafe)
Bis 23. 4., Galerie Bechter Kastowsky Gluckgasse 3 / Mezzanin, 1010 Wien http://bechterkastowsky.com